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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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wurde.«
    »Und das Land Jenseits?«
    »Alles aus Saat gezüchtet. Saat, die ich erfunden habe.«
    »Dann ist es auch eine Turing-Maschine? Alles wird von Wizard 0.2 kontrolliert?«
    »Nein«, sagte König Kojote. »Es wird von Wizard verwaltet. Kontrolliert wird es von mir.«
    »Aber die Botschaften im Chiffriermarkt kontrollieren alle Ereignisse im Land Jenseits, oder nicht?«
    »Du bist äußerst scharfsinnig, Prinzessin Nell.«
    »Diese Botschaften kamen zu Wizard - ebenfalls eine Turing-Maschine.«
    »Mach den Altar auf«, sagte König Kojote und zeigte auf eine große Messingplatte mit einem Schlüsselloch in der Mitte.
    Prinzessin Nell schloß mit ihrem Schlüssel auf, und König Kojote klappte den Altardeckel zurück. Im Inneren befanden sich zwei kleinere Maschinen, eine, um Lochstreifen zu lesen, die andere, um sie zu schreiben.
    »Komm mit«, sagte König Kojote und öffnete eine Falltür im Boden hinter dem Altar.
    Prinzessin Nell folgte ihm eine Wendeltreppe hinab in einen kleinen Raum. Das Gestänge vom Altar führte hier hinab und endete an einer kleinen Konsole.
    »Wizard ist nicht einmal mit dem Altar verbunden! Er tut überhaupt nichts«, sagte Prinzessin Nell.
    »Oh, Wizard macht eine ganze Menge. Er hilft mir, den Überblick zu behalten, stellt Berechnungen an und so weiter. Das ganze Spektakel auf der Bühne oben ist nur Schau - um das gemeine Volk zu beeindrucken. Wenn eine Botschaft vom Chiffriermarkt eintrifft, lese ich sie selbst und beantworte sie selbst.
    Du siehst also, Prinzessin Nell, das Land Jenseits ist gar keine Turing-Maschine. Es ist in Wahrheit eine Person - ein paar Menschen, um ehrlich zu sein. Und jetzt gehört es dir.«
    König Kojote führte Prinzessin Nell zurück ins Herz seiner Zitadelle und führte sie durch die gesamte Anlage. Das Kernstück bildete die Bibliothek. Er zeigte ihr die Bücher, in denen die Regeln aufgeschrieben waren, um Wizard 0.2 zu programmieren, und andere Bücher, in denen erklärt wurde, wie man aus Atomen Maschinen, Gebäude und ganze Welten erschaffen konnte.
    »Siehst du, Prinzessin Nell, du hast diese Welt heute erobert, und jetzt, wo du sie erobert hast, wirst du feststellen, daß sie ziemlich langweilig ist. Jetzt ist es deine Aufgabe, neue Welten zu erschaffen, die andere Menschen erforschen und erobern können.« König Kojote winkte mit der Hand zum Fenster hinaus und zeigte auf den unermeßlichen weißen und leeren Raum, wo einst das Land Jenseits gewesen war. »Da draußen gibt es genügend leeren Raum.«
    »Was werden Sie tun, König Kojote?«
    »Nennt mich John, Königliche Hoheit. Vom heutigen Tag an habe ich kein Königreich mehr.«
    »John, was werden Sie tun?«
    »Ich habe meine eigene Suche.«
    »Was ist das für eine Suche?«
    »Ich muß den Alchimisten finden, wer immer er auch sein mag.«
    »Und gibt es...«
     
    Nell hörte einen Moment auf, in der Fibel zu lesen. Tränen waren ihr in die Augen getreten.
    »Gibt es was?« sagte Johns Stimme aus dem Buch.
    »Gibt es noch jemanden? Jemanden, der während meiner Suche bei mir gewesen ist?«
    »Ja, es gibt jemanden«, sagte John nach kurzer Pause leise. »Jedenfalls habe ich immer gespürt, daß sie da ist.«
    »Ist sie jetzt auch da?«
    »Nur, wenn du ihr einen Ort erschaffst«, sagte John. »Lies die Bücher, und sie werden dir den Weg zeigen.«
     
    Damit verschwand John, der einstige König Kojote und Herrscher über das Land Jenseits, in einem Lichtblitz und ließ Prinzessin Nell allein in der großen, staubigen Bibliothek zurück. Prinzessin Nell legte den Kopf auf ein altes in Leder gebundenes Buch und roch seinen vollen Duft. Eine Freudenträne lief ihr aus jedem Auge. Aber sie unterdrückte den Drang zu weinen, und griff statt dessen nach dem Buch.
    Es handelte sich ausnahmslos um Zauberbücher, die Prinzessin Nell so sehr faszinierten, daß sie viele Stunden, möglicherweise Tage, nichts von ihrer Umwelt mitbekam; was keine nennenswerte Rolle spielte, da vom Land Jenseits nichts mehr übrig war. Aber nach einer gewissen Zeit merkte sie, daß etwas sie am Fuß
kitzelte. Sie streckte geistesabwesend die Hand aus und kratzte sich. Augenblicke später fing das Kitzeln von vorne an. Diesmal sah sie nach unten und stellte fest, daß der Boden der Bibliothek von einem dichten graubraunen Teppich bedeckt wurde, der hier und da weiße und schwarze Flecken aufwies.
    Es war ein lebender Teppich, und er war in konstanter Bewegung. Tatsächlich handelte es sich um die Mäusearmee. Alle

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