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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Lichtblitzen. Wizard hatte sich in eine
derartige Aktivität hineingesteigert, daß sie sich alle vorkamen, als wären sie im Inneren einer gigantischen Maschine gefangen, die sie jeden Moment in Stücke reißen konnte. Der kleine Meßdiener wandte sich schließlich ab und floh den Mittelgang hinab. Binnen weniger Minuten folgten die Gehilfen einer nach dem anderen seinem Beispiel, indem sie sich langsam von Wizard entfernten, bis sie etwa die Mitte des Gangs erreicht hatten, dann drehten sie sich um und gaben Fersengeld. Schließlich wandte sich auch der Hohepriester ab und floh. Das Dröhnen der Maschine hatte inzwischen ein Ausmaß erreicht, daß man den Eindruck gewinnen konnte, ein epochales Erdbeben bräche los, und Nell mußte sich mit einer Hand am Altar festhalten. Die Hitze, die aus dem Inneren der Maschine drang, kam der einer Schmiede gleich, und Nell konnte düsteres rotes Licht im Inneren erkennen, als einige der Stößel rotglühend wurden.
    Schließlich hörte alles auf. Die Stille war erstaunlich. Nell stellte fest, daß sie sich geduckt hatte, und richtete sich wieder auf. Das rote Leuchten im Inneren des Wizard erlosch allmählich.
    Weißes Licht drang von allen Seiten herein. Prinzessin Nell konnte erkennen, daß es von außerhalb der Festungsmauern kam. Vor ein paar Minuten war es noch Nacht gewesen. Nun herrschte Licht, aber kein Tageslicht; es kam von allen Seiten und war kalt und farblos.
    Sie lief den Mittelgang entlang und machte die Tür zum Vorzimmer auf, aber es war nicht mehr da. Nichts war mehr da. Das Vorzimmer war verschwunden. Der Blumengarten war verschwunden, das Pferd, die Mauer, die gewundene Straße, die Stadt von König Kojote und das Land Jenseits. Statt dessen überall nur das sanfte weiße Licht.
    Sie drehte sich um. Die Kammer von Wizard war noch da.
    Am Ende des Gangs konnte sie einen Mann auf dem Altar sitzen sehen, der sie betrachtete. Er trug eine Krone. Um den Hals hatte er einen Schlüssel hängen - den zwölften Schlüssel zum Dunklen Schloß.
    Prinzessin Nell ging den Mittelgang entlang auf König Kojote zu. Er war ein Mann mittleren Alters, dessen blondes Haar allmählich die Farbe verlor, mit grauen Augen und einem Bart, der etwas dunkler war als seine Haare, aber nicht eben sorgfältig geschnitten. Als Prinzessin Nell näher kam, schien er sich erst der Krone auf seinem Kopf bewußt zu werden. Er hob die Hände, nahm sie ab und warf sie achtlos auf den Altar.
    »Sehr komisch«, sagte er. »Du hast eine Null-Teilung an all meinen Verteidigungsmaßnahmen vorbeigeschmuggelt.«
    Prinzessin Nell ließ sich von seiner betonten Zwanglosigkeit nicht beirren. Sie blieb einige Schritte entfernt stehen. »Da niemand zugegen ist, der uns vorstellen könnte, werde ich mir die Freiheit nehmen und es selbst tun. Ich bin Prinzessin Nell, Herzogin von Turing«, sagte sie und streckte die Hand aus.
    König Kojote sah ein wenig verlegen drein. Er sprang von dem Altar herunter, kam zu Prinzessin Nell und küßte ihr die Hand. »König Kojote, zu deinen Diensten.«
    »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
    »Die Freude ist ganz meinerseits. Entschuldige, ich hätte wissen müssen, daß die Fibel dir bessere Manieren beibringen würde.«
    »Die Fibel, von der Sie sprechen, ist mir nicht bekannt«, sagte Prinzessin Nell. »Ich bin lediglich eine Prinzessin auf der Suche: um die zwölf Schlüssel zum Dunklen Schloß zu erlangen. Mir ist aufgefallen, daß sich einer davon in Ihrem Besitz befindet.«
    König Kojote hob die Hände und zeigte ihr die Handflächen. »Schon gut«, sagte er. »Ein Zweikampf wird nicht erforderlich sein. Du hast schon gesiegt.« Er nahm den zwölften Schlüssel von seinem Hals und hielt ihn Prinzessin Nell hin. Sie nahm ihn mit einem angedeuteten Hofknicks entgegen; aber als die Kette durch seine Finger glitt, packte er plötzlich wieder fester zu, so daß sie beide durch die Kette vereint wurden. »Jetzt, wo deine Suche vorbei ist«, sagte er, »können wir da nicht auf das Theater verzichten?«
    »Ich bin sicher, ich verstehe nicht, was Sie meinen, Majestät.«
    Er sah ärgerlich und resigniert zugleich aus. »Weshalb bist du hierhergekommen?«
    »Um den zwölften Schlüssel zu finden.«
    »Noch etwas?«
    »Um etwas über Wizard 0.2 zu lernen.«
    »Aha.«
    »Um herauszufinden, ob es sich de facto um eine Turing-Maschine handelt.«
    »Nun, du kennst die Antwort. Wizard 0.2 ist eindeutig eine Turing-Maschine - die leistungsstärkste, die je gebaut

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