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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Hals abtastete und eine Reihe von Nanophonen von ihren Stimmbändern bis hinauf zum Zahnfleisch einsetzte. Dabei machte sie die Augen zu.
    Sie war froh, daß sie es am Tag vor Weihnachten hatte machen lassen, denn hinterher wäre sie nicht mehr mit den Kindern klargekommen. Ihr Gesicht schwoll an, wie sie vorhergesagt hatten, besonders um die Lippen und Augen herum, wo die 'sitendichte am größten war. Sie gaben ihr Salben und Medikamente, die sie benutzte. Am Tag danach erschrak die Dame des Hauses, als Miranda nach oben kam, um den Kindern das Frühstück zu machen. Aber sie sagte nichts, vermutlich, weil sie annahm, Miranda wäre bei einer Weihnachtsfeier von einem betrunkenen Freund verprügelt worden. Was kaum Mirandas Stil entsprach, aber für eine Frau aus New Atlantis war es eine naheliegende Vermutung.
    Als ihr Gesicht wieder genauso aussah wie vor ihrem Ausflug in den Tätsalon, packte sie ihre gesamten Habseligkeiten in eine Reisetasche und fuhr mit der U-Bahn in die Innenstadt.
    Das Theaterviertel hatte sein gutes und sein schlechtes Ende. Das gute Ende war genau, was und wo es schon seit Jahrhunderten gewesen war. Das schlechte Ende war mehr eine eher vertikale als horizontale Adresse und bestand aus zwei alten Bürowolkenkratzern, die inzwischen verrufenen Zwecken dienten. Ihr Äußeres war, wie bei vielen dieser Gebäude, bemerkenswert unansehnlich, vom Standpunkt einer Raktiven-Produktionsgesellschaft geradezu ideal. Sie waren entworfen worden, damit eine große Zahl von Angestellten nebeneinander in geräumigen Gittern halbabgeschiedener Kabuffs arbeiten konnten.
    »Laß uns mal dein Gitter beäugen, Süße«, sagte ein Mann, der sich als Mr. Fred (»Nicht mein richtiger Name«) Epidermis vorstellte, nachdem er die Zigarette aus dem Mund genommen und Miranda einer ausgiebigen und methodischen optischen Ganzkörpervisitation unterzogen hatte.
    »Mein Gitter ist keine Süße«, sagte sie. Süße® und Held® waren die Gitter, mit denen Millionen Frauen beziehungsweise Männer sich schmückten. Die Trägerinnen bzw. Träger wollten gar keine Raktricen oder Rakteure sein, sondern nur gut aussehen, wenn sie zufällig in einen Raktiven gerieten. Manche waren dumm genug und glaubten die Sprüche, daß so ein Gitter einem das Tor zum Starruhm öffnen könnte; wahrscheinlich landeten die meisten dieser Mädchen letztendlich bei einem Gespräch mit Fred Epidermis.
    » Oooh, jetzt bin ich aber ganz neugierig«, sagte er und wand sich gerade so sehr, daß Miranda die Lippen schürzte. »Dann stellen wir dich mal auf die Bühne und sehen, was du zu bieten hast.«
    Die Kabuffs, in denen seine Rakteure sich plagten, waren lediglich Kopfbühnen. Selbstverständlich verfügte er auch über einige Körperbühnen, wahrscheinlich für voll raktive Pornos. Zu einer davon führte er sie. Sie ging hinein, schlug die Tür zu, schaltete das Wandmediatron ein und konnte den ersten Blick auf ihre neue Jodie werfen.
    Fred Epidermis hatte die Bühne in Sternbildmodus geschaltet. Miranda sah eine schwarze Wand mit zwanzig- oder dreißigtausend individuellen weißen Lichtpünktchen vor sich. Alle zusammen bildeten eine Art dreidimensionales Sternbild von Miranda, das sich im Einklang mit ihren eigenen Gesten bewegte. Jeder Lichtpunkt entsprach einem der 'siten, die die Maschine während der sechzehnstündigen Sitzung in ihre Haut gebohrt hatte. Unsichtbar blieben die Fasern, die sie alle zu einem einzigen Netz verbanden ein neues Körpersystem, das Nerven-, Lymph- und Gefäßsysteme überlagerte und teilweise durchdrang.
    »Heilige Scheiße! Da haben wir eine verdammte Hepburn oder sowas!« rief Fred Epidermis aus, der sie auf einem zweiten Monitor außerhalb der Bühne beobachtete.
    »Es ist eine Jodie«, sagte sie, verhaspelte sich aber, als sich das Sternbild bewegte und die Veränderungen ihres Kiefers und ihrer Lippen nachvollzog. Draußen bediente Fred Epidermis das Schnittpult und zoomte auf ihr Gesicht, das sich so dicht wie das Zentrum der Milchstraße abzeichnete. Im Vergleich dazu waren ihre Arme und Beine hauchzarte Spiralnebel und ihr Hinterkopf, wo alles in allem nicht mehr als hundert ringförmig wie die Scheitelpunkte einer geodäsischen Kuppel in ihre Kopfhaut eingestanzte 'siten verliefen, praktisch unsichtbar. Die Augen bildeten leere Löcher, es sei denn (vermutete sie), sie wurden geschlossen. Um sich zu vergewissern, blinzelte sie in das Mediatron. Die 'siten auf ihren Lidern saßen so dicht wie Grashalme in

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