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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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einer Rasenfläche, aber ziehharmonikaförmig zusammengedrückt, es sei denn, das Lid spannte sich über dem Augapfel. Fred Epidermis sah die Bewegung und zoomte so unvermittelt auf ihr blinzelndes Auge, daß sie beinahe rücklings auf den Hintern gefallen wäre. Sie konnte ihn kichern hören. »Daran gewöhnst du dich, Schätzchen«, sagte er. »Halt still, damit ich die 'siten in deinen Lippen abchecken kann.«
    Er machte einen Schwenk auf ihre Lippen und ließ sie hierhin und dorthin rotieren, während sie schmollte und sie schürzte. Sie war froh, daß sie sie bei der Arbeit daran bis zur Besinnungslosigkeit mit Stoff vollgepumpt hatten; Tausende von Nanositen befanden sich darin.
    »Sieht ganz so aus, als hätten wir hier eine
Künstlerin«,
sagte Fred Epidermis. »Ich will dich mal in einer unserer anspruchsvollsten Rollen sehen.«
    Plötzlich stand eine blonde Frau mit blauen Augen und toupierter Frisur, in einen weißen Pullover mit einem großen gestickten F auf der Vorderseite und einen lächerlich kurzen Rock gekleidet, die Mirandas Haltung perfekt widerspiegelte, in dem Mediatron. Sie trug große, bunte Quasten. Miranda kannte sie aus alten Passiven, die sie im Mediatron gesehen hatte - ein amerikanischer Teenager aus dem vorigen Jahrhundert. »Das ist Spirit. Dir und mir kommt sie etwas altmodisch vor, aber bei den Glotzenguckern war sie außerordentlich populär«, sagte Fred Epidermis. »Natürlich ist dein Gitter für so was total übertrieben, aber he, wir wollen doch dem Zuschauer geben, was er will - die Nachfrage ankurbeln, du weißt schon.«
    Aber Miranda hörte ihm gar nicht zu; sie sah zum ersten Mal, wie sich eine andere Person exakt so bewegte wie sie selbst, als die Bühne Mirandas Gitter auf diesen imaginären Körper projizierte. Miranda kniff die Lippen zusammen, als hätte sie gerade Lippenstift aufgetragen, und Spirit machte dasselbe. Sie blinzelte, und Spirit blinzelte auch. Sie griff sich an die Nase, und Spirit hatte das Gesicht voller Quasten.
    »Spielen wir eine Szene«, sagte Fred Epidermis.
    Spirit verschwand und wich einem elektronischen Formular mit freien Stellen für Namen, Zahlen, Geburts- und sonstigen Daten. Er klickte weiter, bevor Miranda die Möglichkeit hatte, etwas zu lesen; für eine Probe brauchten sie keinen Vertrag.
    Dann sah sie Spirit wieder, diesmal aus zwei verschiedenen Kameraeinstellungen. Das Mediatron war in mehrere Quadranten aufgeteilt worden. Einer zeigte eine Nahaufnahme von Spirits Gesicht, das immer noch alles nachahmte, was Mirandas Gesicht vorgab. Einer zeigte Spirit und einen älteren Mann in einem Raum voller Maschinen. Ein anderer Quadrant präsentierte eine Nahaufnahme vom Gesicht des alten Mannes, den, wie Miranda nun erkennen konnte, Fred Epidermis spielte. Der alte Mann sagte: »Okay, vergiß nicht, daß wir das normalerweise auf einer Kopfbühne spielen, daher kontrollierst du Spirits Arme und Beine nicht, nur ihr Gesicht -«
    »Wie laufe ich herum?« sagte Miranda. Spirits Lippen bewegten sich im Einklang mit ihren, und aus dem Mediatron ertönte Spirits Stimme – piepsig und atemlos zugleich. Die Bühne war programmiert, die Impulse der Nanophone in ihrem Hals zu empfangen und sie in eine andere Hülle zu stecken.
    »Gar nicht. Der Computer entscheidet, wann du wohin gehst. Unser dreckiges kleines Geheimnis: Dies ist nicht richtig raktiv, nur ein Handlungsbaum -, aber das genügt für unsere Kunden, weil die Blätter des Baums - die Enden der Zweige, weißt du - alle ein und dasselbe sind, nämlich das, was der Kunde will - kapiert? Nun, du wirst schon sehen«, sagte der alte Mann auf dem Bildschirm, der Mirandas Verwirrung in Spirits Gesicht geschrieben sah. Die argwöhnische Skepsis, die Miranda zum Ausdruck brachte, geriet bei Spirit zu einer hirnlosen Unschuldsmiene.
    »Hinweise! Achte auf die verdammten Hinweise! Dies ist kein Improvisationsworkshop!« brüllte der alte Mann.
    Miranda betrachtete die anderen Quadranten des Bildschirms. Einer zeigte, vermutete sie, eine Ansicht des Zimmers mit ihrer Position und der des alten Mannes, wobei ab und an Pfeile aufleuchteten und eine Bewegungsrichtung andeuteten. Der andere Quadrant war ein Prompter, auf dem ihre Textzeile in Rot blinkte.
    »Oh, hallo, Mr. Willie!« sagte sie. »Ich weiß, der Unterricht ist zu Ende, und Sie müssen furchtbar müde sein, nachdem Sie den ganzen Tag diese schrecklichen Jungs unterrichtet haben, aber ich habe mich trotzdem gefragt, ob ich Sie um einen

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