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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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sich zu ihr, nahm die rechte untere Ecke zwischen die Finger und schlug sie zurück. Der ganze Deckel des Dings klappte an einem Scharnier auf der linken Seite zurück und zog raschelnd cremefarbene Blätter mit sich.
    Unter dem Umschlag befand sich ein Blatt Papier mit einem Bild und noch mehr Buchstaben darauf.
    Die erste Seite des Buchs zeigte das Bild eines kleinen Mädchens, das auf einer Bank saß. Über der Bank sah man so etwas wie eine Leiter, nur war es waagerecht und wurde an beiden Enden von Pfosten gestützt. Dicke Reben rankten sich um die Pfosten und schlangen sich um die Leiter, wo sie in riesige Blüten explodierten. Das Mädchen hatte Nell den Rücken zugedreht; sie sah einen grasbewachsenen Hang mit vielen kleinen Blumen hinab zu einem blauen Teich. Auf der anderen Seite des Teichs ragten Berge empor, wie es sie angeblich mitten in New Chusan gab, wo die reichsten Vickys ihre Villen hatten. Das Mädchen hatte ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß liegen.
    Die Seite gegenüber zeigte ein kleines Bild links oben, das aus weiteren Reben und Blüten bestand, die sich um einen großen, eiförmigen Buchstaben rankten. Aber der Rest der Seite bestand nur aus winzigen schwarzen Buchstaben ohne Zierat. Nell blätterte um und fand zwei weitere Seiten mit Buchstaben, allerdings waren manche recht groß und mit Bildern geschmückt. Sie blätterte noch eine Seite um und sah wieder ein Bild. Auf diesem hatte das kleine Mädchen ihr Buch beiseite gelegt und unterhielt sich mit einem großen schwarzen Vogel, dessen Fuß sich offenbar in den Ranken über ihnen verfangen hatte. Sie blätterte noch eine Seite um.
    Die Seiten, die sie schon umgeblättert hatte, hielt sie unter dem linken Daumen. Sie versuchten, sich zu befreien, als wären sie lebendig. Sie mußte immer fester drücken, um sie unten zu halten. Schließlich wölbten sie sich in der Mitte, rutschten unter ihrem Daumen hervor und kehrten flap-flap-flap an den Anfang der Geschichte zurück.
    »Es war einmal«, sagte eine Frauenstimme, »ein kleines Mädchen namens Elizabeth, das gerne im Garten ihres Großvaters in der Laube saß und Märchen las.« Die Stimme klang leise, nur für sie bestimmt, mit einem extravaganten viktorianischen Akzent.
    Nell schlug das Buch zu und stieß es weg. Es rutschte über den Boden und blieb vor dem Sofa liegen.
    Am nächsten Tag kam Tad, Morris Freund, in übler Laune nach Hause. Er knallte sein Sechserpack auf den Küchentisch, nahm ein Bier heraus und stapfte ins Wohnzimmer. Nell versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen. Sie nahm Dinosaurier, Ente, Peter Karnickel und Purpur, ihren Zauberstab, eine Papiertüte, die eigentlich ein Auto war, in dem ihre Kinder herumfahren konnten, und ein Stück Pappe – ein Schwert, um Piraten zu töten. Dann lief sie in das Zimmer, das sie sich mit Harv teilte, aber Tad hatte das Wohnzimmer schon mit dem Bier in einer Hand betreten und wühlte mit der anderen in dem ganzen Kram auf dem Sofa, um die Fernbedienung für das Mediatron zu finden. Er warf jede Menge Spielsachen von Harv und Nell auf den Boden, dann trat er mit seinem bloßen Fuß auf das Buch.
    »Autsch, gottverdammt!« brüllte Tad. Er starrte das Buch fassungslos an. »Scheiße, was ist das?!« Er hob den Fuß, als wollte er danach treten, überlegte es sich aber anders, als ihm einfiel, daß er ja barfuß war. Er hob es auf, wog es in der Hand, sah Nell starr an und schätzte Entfernung und Winkel. »Du dumme kleine Fotze, wie oft muß ich dir noch sagen, daß du deinen Mist aufräumen sollst?!« Dann wandte er sich ein wenig von ihr ab, legte einen Arm um den Körper und warf das Buch direkt nach ihrem Kopf.
    Sie stand da und sah zu, wie das Buch auf sie zugeflogen kam, weil ihr nicht in den Sinn kam, ihm auszuweichen, aber im letzten Moment klappten die Deckel auseinander. Die Seiten klappten auf. Alle bogen sich wie Federn, als sie ihr Gesicht trafen, und es tat überhaupt nicht weh.
    Das Buch fiel offen vor ihre Füße, auf einer illustrierten Seite aufgeschlagen.
    Das Bild zeigte einen großen dunklen Mann und ein kleines Mädchen in einem unordentlichen Zimmer, und der Mann warf dem Mädchen wütend ein Buch an den Kopf.
    »Es war einmal ein kleines Mädchen namens Fotze«, sagte das Buch.
    »Mein Name ist Nell«, sagte Nell.
    Ein leichtes Flimmern lief durch das Gitter der Buchstaben auf der gegenüberliegenden Seite.
    »Dein Name ist Klumpatsch, wenn du diese verdammte Scheiße nicht wegräumst«, sagte Tad. »Aber

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