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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Elizabeth Finkle-McGraw, und da würde sie die
Illustrierte Fibel für die junge Dame
von ihrem Großvater bekommen.
    Fiona Hackworth würde ebenfalls eine Ausgabe der Illustrierten Fibel bekommen, denn das war John Percival Hackworths Verbrechen: Er hatte den Materie-Compiler programmiert, die Kletten auf dem Umschlag von Elizabeths Buch zu plazieren. Er hatte Dr. X dafür bezahlt, daß er ein Terabyte Daten aus einer der Kletten extrahierte. Diese Daten waren eine verschlüsselte Kopie des Materie-Compiler-Programms, das die
Illustrierte Fibel für die junge Dame
generiert hatte. Er hatte Dr. X dafür bezahlt, daß er einen von dessen Materie-Compilern benutzen durfte, der mit privaten Quellen im Besitz von Dr. X verbunden war, und nicht mit einem Feeder. Er hatte heimlich ein zweites Exemplar der Fibel angefertigt.
    Die Kletten hatten sich bereits selbst vernichtet und keine Spuren seines Verbrechens hinterlassen. Dr. X hatte wahrscheinlich eine Kopie des Programms auf seinem Computer, aber es war verschlüsselt, und Dr. X würde wahrscheinlich schlau genug sein, das Ding zu löschen und Speicherplatz freizugeben, weil er sich denken konnte, daß Verschlüsselungskodes, die jemand wie Hackworth benutzte, ohne göttliche Intervention nicht geknackt werden konnten.
    Nicht lange, und die Straßen wurden breiter, und zum Zischeln der Reifen auf dem Pflaster gesellte sich das Rauschen der Wellen, die an das stufenförmig gestaltete Ufer von Pudong brandeten. Auf der anderen Seite der Bucht stiegen die weißen Lichter der Klave New Atlantis über dem farbenfrohen Mosaik der Leasing-Parzellen auf. Es schien ein weiter Weg zu sein, daher folgte Hackworth einem Impuls und mietete ein Temporad bei einem alten Mann, der seinen Verleih im Windschatten des Schublagers der Brücke betrieb. Er fuhr auf die Brücke hinaus, wo er, die kühle, belebende Luft auf seinem Gesicht und den Händen, den Entschluß faßte, eine Weile weiterzustrampeln. Als er den Bogen erreichte, ließ er sich von den internen Batterien des Fahrrads die Steigung hinauftransportieren. Oben schaltete er sie ab, sauste auf der anderen Seite hinunter und genoß seine Geschwindigkeit.
    Sein Zylinder flog davon. Es war eine teure Kopfbedeckung mit einem SmartBand, durch das derartige Unglücksfälle angeblich der Vergangenheit angehören sollten, aber Hackworth hatte nie viel auf die Versprechungen der Hersteller gegeben. Hackworth fuhr zu schnell für eine sichere Wendung um hundertachtzig Grad, daher trat er auf die Bremse.
    Als er schließlich umgedreht hatte, konnte er seinen Zylinder nirgends sehen. Aber er sah einen anderen Fahrradfahrer auf sich zukommen. Es war ein junger Mann mit schicker Nanokluft. Abgesehen von seinem Kopf, auf dem keck Hackworths Zylinder prangte.
    Hackworth war bereit, diesen Affront zu verzeihen, da der Junge den Hut unmöglich anders die Steigung herabtransportieren konnte, weil die Vernunft gebot, beide Hände am Lenker zu lassen. Aber der Junge schien nicht zu bremsen, und als er sich Hackworth näherte, richtete er sich doch wahrhaftig auf, nahm beide Hände vom Lenker und hielt die Hutkrempe damit fest. Hackworth dachte, der Junge träfe Anstalten, ihm den Hut im Vorbeifahren zuzuwerfen, doch statt dessen zog er ihn fester auf den Kopf und grinste unverschämt, als er Hackworth passierte.
    »He, du! Halt sofort an! Du hast meinen Hut!« brüllte Hackworth, aber der Junge hielt nicht an. Hackworth stand breitbeinig über seinem Fahrrad und beobachtete fassungslos, wie der Junge in der Ferne verschwand. Dann schaltete er die Energiezufuhr seines Rads ein und nahm die Verfolgung auf.
    Sein erster Impuls war gewesen, die Polizei zu rufen. Aber da sie sich auf der Brücke befanden, hätte er die Polizei von Shanghai rufen müssen. In jedem Fall hätten sie unmöglich schnell genug hier sein können, um den Jungen zu schnappen, der das Ende der Brücke, wo er in jeder x-beliebigen Leasing-Parzelle untertauchen konnte, schon fast erreicht hatte.
    Hackworth hätte ihn fast erwischt. Ohne die Energieverstärkung wäre es keine Frage gewesen, da Hackworth täglich in seinem Club trainierte, während der Junge das pummelige, schwabbelige Äußere eines typischen Thete hatte. Aber der Junge hatte einen beachtlichen Vorsprung. Als sie die erste Ausfahrt erreichten, die zu den Leasing-Parzellen führte, war Hackworth nur zehn oder zwanzig Meter entfernt, nahe genug, daß er nicht widerstehen konnte, dem Jungen die Rampe hinunter zu folgen.

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