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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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wert?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Es schien sich um ein wertvolles Stück zu handeln.«
    »Eine Fälschung. So etwas ist äußerst beliebt bei uns. Auf diese Weise kann man sich eine eindrucksvolle Bibliothek aufbauen, ohne bankrott zu machen.«
    »Ah, das erklärt alles«, sagte Mr. Chang, der mit jeder Minute zufriedener aussah. Sollte Hackworth ihn, was das Buch betraf, noch weiter mit Beschwichtigungen einlullen, würde er sich zweifellos auf dem Sofa zusammenrollen und einschlafen. »Dennoch sollte ich das Buch in meinem offiziellen Bericht erwähnen - der den Behörden von New Atlantis zugestellt wird, da das Opfer in diesem Fall jener Phyle angehörte.«
    »Nein«, sagte Hackworth, der sich umdrehte und Chang zum erstenmal direkt in die Augen sah. »Erwähnen Sie es nicht.«
    »Ah, ich kann mir nicht vorstellen, warum Sie das sagen«, entgegnete Chang, »aber wie auch immer, in diesem Fall sind mir die Hände gebunden. Wir werden von unseren Vorgesetzten streng überwacht.«
    »Vielleicht könnten Sie Ihrem Vorgesetzten einfach meinen Standpunkt erklären.«
    Lieutenant Chang reagierte auf diesen Vorschlag mit einer Miene äußersten Entsetzens. »Mr. Hackworth, Sie sind ein außerordentlich kluger Mann – was ich bereits an Ihrer verantwortlichen Position erkennen konnte -, doch ich muß Ihnen zu meiner Schande gestehen, daß Ihr so meisterlich ersonnener Plan nicht funktionieren dürfte. Mein Vorgesetzter ist ein grausamer Paragraphenreiter, der keine Rücksicht auf menschliche Gefühle nimmt. Um ganz offen zu sprechen - und das sage ich Ihnen streng vertraulich -, er ist nicht völlig frei von moralischen Unzulänglichkeiten.«
    »Aha«, sagte Hackworth, »wenn ich Sie also recht verstehe –«
    »O nein, Mr. Hackworth, ich bin derjenige, der
Sie
versteht.«
    »- wird ein Appell an sein Mitgefühl nichts fruchten, weshalb wir uns einer anderen Strategie bedienen sollten, die möglicherweise seinem moralischen blinden Fleck Rechnung trägt.«
    »Das ist eine Vorgehensweise, an die ich noch gar nicht gedacht hatte.«
    »Möglicherweise sollten Sie einmal darüber nachdenken oder gar Nachforschungen anstellen, welches Maß und welche Art von Anreiz etwas fruchten könnte«, sagte Hackworth und ging unvermittelt zum Ausgang. Lieutenant Chang folgte ihm.
    Hackworth zog die Eingangstür auf und ließ Chang Hut und Schirm vom Kleiderständer nehmen. »Dann melden Sie sich wieder bei mir und schildern es mir in möglichst einfachen und verständlichen Worten. Gute Nacht, Lieutenant Chang.«
    Als er mit dem Fahrrad auf dem Rückweg in die Leasing-Parzellen zum Tor fuhr, verspürte Chang ein Hochgefühl angesichts des Erfolgs der heutigen Ermittlungen. Selbstverständlich hatten weder er noch Richter Fang ein Interesse daran, Schmiergeld von diesem Hackworth anzunehmen; aber Hackworths Bereitwilligkeit zu zahlen diente als weiterer Beweis dafür, daß das Buch tatsächlich gestohlenes geistiges Eigentum verkörperte.
    Doch dann zügelte er seine Emotionen und gedachte der an Yang Fu gerichteten Worte des Philosophen Tsang, als jener zum obersten Strafrichter berufen wurde: »Die Herrschenden haben ihre Pflichten vernachlässigt, infolgedessen war das Volk lange Zeit desorganisiert. Wenn Sie den Wahrheitsgehalt einer Anklage festgestellt haben, zeigen Sie Trauer und Bedauern, und empfinden Sie keine Freude über Ihre eigenen Fähigkeiten.«
    Nicht, daß Changs Fähigkeiten an diesem Abend auf eine harte Probe gestellt worden wären; nichts war leichter, als die Bewohner von New Atlantis davon zu überzeugen, daß die chinesische Polizei korrupt war.
     

Miranda entwickelt Interesse für eine anonyme Kundin.
    Miranda studierte am Monatsende ihr Kontoblatt und stellte fest, daß ihre Haupteinnahmequelle nicht mehr
Die Seidenstraße
oder
Der Widerspenstigen Zähmung
war, sondern ein Märchenbuch über Prinzessin Nell. Das kam einerseits überraschend, da Kindersachen für gewöhnlich nicht besonders gut bezahlt wurden, aber andererseits auch wieder nicht, da sie jüngst eine unglaubliche Menge Zeit in diesem speziellen Raktiven verbrachte.
    Angefangen hatte alles im kleinen Maßstab: Eine Geschichte, nur wenige Minuten lang, über ein dunkles Schloß, eine böse Stiefmutter und ein Tor mit zwölf Schlössern. Nicht der Rede wert, wenn da nicht zwei Dinge gewesen wären: Es wurde weitaus besser bezahlt als die meisten Kinderengagements, weil sie speziell nach erstklassigen Raktriven suchten, und nach den Maßstäben

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