Diamond Age - Die Grenzwelt
Weile im Schnee stehen, um meine Füße abzukühlen. Dann marschierte ich zum König der Vögel zurück, der selbstverständlich erstaunt war.
Als nächstes kam ich in die Obhut der Säugetiere, die fast ausschließlich aus Spitzmäusen bestanden. Sie führten mich ins Vorgebirge, zum Eingang einer großen Höhle. »Deine Aufgabe«, sagte der König der Spitzmäuse »besteht darin, hier auf Dojo zu warten und ihn im Zweikampf zu besiegen.« Danach zogen sich alle Spitzmäuse zurück und ließen mich allein.
Ich wartete drei Tage und drei Nächte vor der Höhle, was mir ausreichend Zeit ließ, den Platz auszukundschaften. Anfangs sah ich der Herausforderung gleichmütig entgegen, denn sie schien die einfachste der drei Aufgaben zu sein; ich hatte zwar keine Ahnung, wer Dojo war, wußte jedoch, daß es auf der ganzen Welt niemanden gab, der es im Zweikampf mit mir aufnehmen konnte. Doch am ersten Tag, als ich auf meinem Schwanz saß und auf Dojo wartete, fiel mir ein Durcheinander kleiner, schimmernder Gegenstände am Boden auf, und als ich sie eingehender betrachtete, stellte ich fest, daß es Schuppen waren. Um ganz genau zu sein, waren es Dinosaurierschuppen, in denen ich die von Pteranodon, Ankylosaurus und Utahraptor erkannte, und sie schienen mit großer Gewalt von den Körpern abgetrennt worden zu sein.
Am zweiten Tag erkundete ich die nähere Umgebung und fand immense Kratzer in den Baumstämmen, die ohne jeden Zweifel von Utahraptor stammten, der wild nach Dojo ausgeschlagen haben mußte; andere Bäume waren vom Schwanz des Ankylosaurus dicht oberhalb der Wurzeln abgetrennt worden; und ich sah lange Schlieren im Boden, die von den Klauen Pteranodons stammen mußten, der offenbar immer wieder auf einen wendigen Kontrahenten herabgestoßen war. An dieser Stelle wurde ich besorgt. Es lag auf der Hand, daß meine drei Konkurrenten alle gegen Dojo gekämpft und verloren hatten, wenn ich ebenfalls verlor (was undenkbar war), würde Gleichstand zwischen uns allen herrschen; doch die Regeln des Wettkampfs sagten eindeutig, daß im Falle eines Gleichstands alle Dinosaurier aufgefressen würden und das Königreich der Reptilien damit untergegangen war. Ich zerbrach mir die ganze Nacht den Kopf darüber, wer oder was dieser schreckliche Dojo sein mochte.
Auch am dritten Tag passierte nichts, und ich fragte mich allmählich, ob ich die Höhle betreten und nach Dojo suchen sollte. Das einzige Lebewesen, das ich bisher gesehen hatte, war eine schwarze Maus, die ab und zu unter den Felsen am Höhleneingang hervorhuschte und nach einem Krümel Nahrung suchte. Als ich die Maus das nächstemal sah, sagte ich (ganz leise, um sie nicht zu erschrecken): »Sag mal, Maus! Ist da etwas in dieser Höhle?«
Die schwarze Maus richtete sich auf den Hinterfüßen auf und hielt eine Heidelbeere, an der sie knabberte, zwischen den Vorderpfoten. »Nichts Besonderes«, sagte der Mäuserich, »nur meine bescheidene Behausung.
Ein Kamin, ein paar winzige Töpfe und Pfannen, ein paar Trockenbeeren, und der Rest ist voll von Skeletten.«
»Skeletten?« sagte ich. »Von anderen Mäusen?«
»Ein paar Mäuseskelette sind dabei, aber größtenteils handelt es sich um Dinosaurier der einen oder anderen Art, überwiegend Fleischfresser.«
»Die wegen des Kometen gestorben sind«, deutete ich an.
»Oh, Entschuldigung, Sir, doch ich muß Sie mit allem Respekt davon in Kenntnis setzen, daß der Tod dieser Dinosaurier nicht im Zusammenhang mit dem Kometen steht.«
»Wie sind sie dann gestorben?« fragte ich.
»Ich muß zu meinem Bedauern gestehen, daß ich sie alle in Notwehr töten mußte.«
»Aha«, sagte ich, obwohl ich es nicht recht glaubte, »demnach sind Sie ...«
»Dojo die Maus«, sagte er. »Zu Ihren Diensten.«
»Es tut mir schrecklich leid, daß ich Sie gestört habe, Sir«, sagte ich und befleißigte mich meiner besten Manieren, da ich sehen konnte, daß dieser Dojo einer von der ausgesprochen höflichen Sorte war. »Aber Ihr Ruhm als Kämpfer ist weithin bekannt, und ich bin gekommen, um demütigst Ihren Rat zu erbitten, wie ich selbst ein besserer Krieger werden kann; denn es ist meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, daß in der Umwelt nach dem Kometen Zähne wie Hackmesser und sechs Tonnen Muskeln in gewisser Weise aus der Mode gekommen sind.«
Nun folgt eine lange Geschichte, denn Dojo hatte mir vieles beizubringen und lehrte es mich mit Bedacht. Eines Tages, Nell, werde ich dir alles beibringen, was ich von Dojo gelernt
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