Diana, Farben und Begierde (German Edition)
er ist
im dritten Stock angekommen und jetzt bin ich mir sicher, dass er es
ist, Thomas.
Bestätigtend
merke ich, wie seine Schritte nun das letzte Stockwerk in Angriff
nehmen und fühle, spüre eine angenehme, knisternde
Vorfreude. Ja, ich werde ihn sehen, Jetzt und hier.
Thomas
steht im halb dunklen Korridor und linst in meine Richtung. Er
keucht, atmet schwer.
„ Sorry!“,
stößt er laut hervor.
Mit
ein paar Schritten ist er bei mir und ich blicke in sein Gesicht, wie
er da noch immer außer Atem nach Luft ringt, sich langsam
beruhigt, mich mit diesem spitzbübischen Lächeln anblickt,
das kleine Fältchen um seine Augen entstehen läßt.
„ Na,
ausnahmsweise!“, höre ich mich leise sprechen, während
er nach dem Atelierschlüssel kramt, die er endlich aus der
abgewetzten blauen Jeans hervorzaubert.
„ Meine
Agentin! Sorry! Das hat länger gedauert! Dann noch Essen, ach
Gott!“, tönt er nun gutgelaunt und offensichtlich wieder
in regelmäßiges Atmen verfallen, da sein Brustkorb sich
wieder in einem gleichmäßigem Rhythmus hebt und senkt.
„ So,
bitte einzutreten in mein Zauberreich, Sabine!“, verkündet
er und ich lasse es zu, dass er seine rechten Arm um meine Teille
legt und mich gleichsam in sein Atelier hineinschiebt.
Wieder
ist da dieser Duft nach Ölfarben, nach Terpentin und
Lösungsmitteln, nach kaltem Zigarettenrauch.
„ Gleich
mal Lüften!“, ruft er inmitten des schmalen Ganges, durch
den ich schon das dritte Mal schreite. Er ist verschwunden. Dann
höre ich, wie Fensterflügel aufgerissen werden. Ich
orientiere mich an den Geräuschen und stehe im großen
Saal.
Thomas
hantiert an einem kleinen Schaltblock herum, sogleich setzen sich
kleine Motoren summend in Bewegung und er deutet hinauf, zu den
Dachfenstern, und jetzt drehen sich diese langsam und verharren
schließlich in einem 45 Grad Winkel.
„ Passt!“,
ruft er.
Ich
spüre den sanften Lufthauch, der nun durch den Saal sich
verteilt.
Thomas
hat die kleine Papiertüte, die er mit sich brachte, achtlos auf
den Parkettboden fallen lassen und ist schon wieder unterwegs.
Diesmal
allerdings folge ich ihm sofort, und so finde ich mich in einer
kleinen Küche wieder, die ich das erste Mal betrachten kann, da
war ich noch nicht, weder beim ersten Besuch, noch anläßlich
des Festes.
Wie
es hier aussieht!
Das
reinste Chaos!
Da
türmen sich Berge ungewaschenen Geschirrs, halbgefüllte
Weinflaschen, leere Bierflaschen, Essensreste kreuz und quer über
den breiten Tisch verteilt sehe ich, ein angeschnittener Brotlaib
schimmelt vor sich hin, drei vereinzelt verstreute Knboblauchzehen,
Tomaten wild durcheinandergewürfelt liegen auf dem Tisch und
leuchten knallrot, Salatblätter entdecke ich, über all
diesem schwebt gleichsam ein Duft nach italienischem Essen, nach
Pizza oder Lasagne, nach Ravioli und Tomatensauce, nach frischen
Pilzen und rotem Wein.
Ihm
ist sichtbar peinlich, dass ich dieses Tohuwabohu zu Gesicht bekomme.
„ Das
solltes du allerdings nicht sehen müssen! Ich komm` ja zu gar
nichts mehr, ehrlich!“, entschuldigt er sich linkisch und
blickt fragend in meine Richtung und ich muss plötzlich laut
auflachen.
Er
strahlt übers ganze Gesicht.
„ Auch
ein Stillleben!“, stellt er fest und dann hat er endlich
gefunden, was er gesucht hat in dem Wirrwarr und Durcheinander. Ich
sehe die hohe Weinflasche und dann mache ich mich an der kleinen
Küchenzeile zu schaffen, folge seinem Blick, finde die Gläser
und trippel ihm brav hinterher.
Wir
sind nun in dem Raum, in welchem „Diana“ auf der
Staffelei thront. Halbfertig. Leuchtend. Strahlend.
Ich
bin entsetzt.
Ihr
Gesicht fehlt!
Ich
nähere mich dem Bild.
Thomas
steht hinter mir.
Da,
wo Dianas Gesicht, also eigentlich ja Violas Gesichtszüge, aus
dem Bild heraus strahlten, finde ich nun eine graue, matte Fläche
vor, darauf ich dünne Striche, wie mit einem Bleistift gezogen,
erkennen kann.
„ Hat
mir nicht gefallen! Viola passt da ja nicht rein, irgendwie. Diana . Du
weißt schon, Sabine, dass du damit eine Verpflichtung
eingegangen bist?“, flüstert er noch immer hinter mir
stehend und der zarte Lufthauch seiner Worte streichelt mein rechtes
Ohr.
Ich
räuspere mich.
Er
schleppt aus einer Ecke einen kleinen Tisch herbei und platziert die
Weinflasche darauf. Dann ist er wieder verschwunden und ich höre
Besteckklappern aus der Küche, während ich die Weingläser
neben die Flasche stelle.
Wie
wunderbar ich mich
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