Diana - sTdH 5
nicht an die Stadt gewöhnt«, sagte sie. »Alle waren
laut und betrunken, und es ist so furchtbar schmutzig hier. Ganz und gar nicht
so, wie ich es erwartet habe.«
»Tja, das
ist eben Limmer. Es ist so teuer, daß ein jeder schwört, daß sie den Dreck
extra berechnen. Aber ihr Ginpunsch ist ausgezeichnet, und das Essen
erträglich. Hätten Sie Lust, mit mir zu Abend zu essen?«
Er sah, wie
Diana zögerte, und fügte freundlich hinzu: »In der Nähe ist ein Kaffeehaus, in
dem es sehr viel ruhiger zugeht, wenn Ihnen das lieber ist.«
»O ja«,
rief Diana dankbar aus. Sie ging zum Spiegel, um ihr Jabot glattzustreichen,
und ertappte sich gerade noch rechtzeitig dabei, als sie ihre Locken
zurechtzupfen wollte.
Was für ein
Unterschied es war, mit einem hochgewachsenen und eleganten Gefährten durch
die Londoner Straßen zu schlendern! Diana blickte sich neugierig nach allen
Seiten um und versuchte den lässigen Gang der Lebemänner nachzuahmen. Sie
traten in Hubbold's Kaffeehaus und nahmen in einer Nische Platz. Diana wurde
allmählich ruhiger. Sie hatte gedacht, daß Kaffeehäuser ebenso laut und lärmend
wie der Speiseraum bei Limmer seien, aber hier war es so, wie sie sich einen
Club für Gentlemen vorstellte. Alles war leise und gedämpft. Als sie den Kopf
um die hohe Rückenlehne reckte, sah sie Männer ruhig schreibend oder Zeitung
lesend dasitzen.
Lord
Dantrey bestellte Roastbeef und Salat und dazu eine Flasche Weißwein. Diana
hätte liebend gern etwas anderes gehabt, aber sie war zu schüchtern, um es zu
sagen. Es hatte auch den Anschein, als hielte Lord Dantrey Rotwein für ein
Damengetränk.
»Ich habe
keine Ahnung von all dem, Sir«, sagte Diana. »Ich fürchte, mir fehlt eine
gewisse Weltläufigkeit.«
»Unschuld
und ein gutes Herz sind mehr wert als Weltläufigkeit«, antwortete Lord
Dantrey. »Aber es macht mir Spaß, Sie herumzuführen. Vielleicht ist das mein
letzter Junggesellenausflug, bevor ich seßhaft werde und mir eine Frau suche.
Wollen Sie einmal heiraten, Mr. Armitage, was meinen Sie?«
»Bestimmt
nicht«, sagte Diana schnell. »Ich habe keine Zeit für die Damen.«
»Wirklich?
Und ich dachte, die Jugend sei immer romantisch.«
»Vielleicht.
Ich bin nicht ohne Sinn für Romantik. Ich bewundere Lord Byron. Er ist der
Inbegriff all dessen, was romantisch ist.«
»Das frage
ich mich manchmal«, bemerkte Lord Dantrey und füllte Dianas Glas. »Waren Sie
nicht über den Skandal schockiert?«
»Welchen
Skandal?« fragte Diana mit großen Augen. Der Gesellschaftsklatsch interessierte
sie erst seit kurzem, so daß es gut möglich war, daß ihr jemand das
schockierende Gerücht über Byron und seine Schwester erzählt hatte, sie aber
gar nicht richtig zugehört hatte, weil sie nur Geschichten über Hunde und
Pferde wissenswert fand.
»Es ist
nicht so wichtig. Aber um zu der Frage zurückzukommen, ob Lord Byron wirklich
so romantisch ist. Er sagt, er
mag keine Frauen bei Tisch, weil er sie nicht essen und trinken sehen will, da
sie ihm dann nicht mehr so ›ätherisch‹ und ›romantisch‹ erscheinen.
Aber ich glaube, daß er es deshalb nicht mag, weil die Damen beim Dinner immer
als erste bedient werden und die Flügel von den Hühnern bekommen, die Lord
Byron leidenschaftlich gern ißt.«
»Wie steht
es mit Mr. Brummell?«
»Ach, der
arme George ist auf den Kontinent geflohen und hat die Gläubiger auf den
Fersen. Nein, er ist nicht romantisch. Er ist amüsant, klug, gelegentlich
herzlos, aber niemals romantisch. Im übrigen glaube ich nicht, daß ihn seine
Gläubiger so schwer bedrängt hätten, wenn er schlau genug gewesen wäre, sich
die Freundschaft des Prinzregenten zu bewahren. Außerdem hatte er begonnen,
mit hohen Einsätzen zu spielen.«
»Ich weiß,
warum der Prinzregent eine Abneigung gegen ihn entwickelte«, sagte Diana
eifrig, »denn meine Schwe ... meine Cousine Minerva hat es mir erzählt. Er hat
ihn nämlich als fett bezeichnet, zwar nicht direkt, aber Lord Alvanley
gegenüber. Er hat gesagt: ›Wer ist Ihr fetter Freund?‹«
»Das
geschah danach. Da stand er schon nicht mehr in seiner Gunst. Sehen Sie, das
Problem lag darin, daß Brummell allmählich glaubte, er könne tun und sagen,
was er wollte, und stände noch über dem Prinzregenten. Er merkte gar nicht, daß
er der Inbegriff der Mode war und schrecklich unhöflich zu allen möglichen
Leuten sein konnte, nur aus dem Grund, weil der Prinzregent sein Gönner war. Natürlich
sprach seine Arroganz einen servilen
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