Diana - sTdH 5
erinnern, daß mich eins von den Mädchen je so hochnäsig behandelt
hat«, brummelte John, als er sich auf den Kutschbock schwang. »Nein, nicht
einmal Annabelle, wenn sie ganz unleidlich war.«
In der
Halle machte Diana, die einen ländlichen Tonfall angenommen hatte, einen Knicks
vor Mice: »Ich muß mich auf den Weg machen, Sir. Ich lasse alles außer der
kleinen Schachtel, die mir gehört, hier.«
»Warum sind
Sie denn nicht mit der Kutsche nach Hopeworth zurückgefahren?« wollte der ehrfurchtgebietende
Mice wissen.
»Ich habe
die Erlaubnis, meine Mama, die in der City lebt, zu besuchen, Sir.«
»Sehr wohl,
Miß. Gehen Sie nur. Kommt Miß Diana Armitage heute an? Wir haben keine
Nachricht erhalten.«
»Nächste
Woche, Sir. Könnte mir bitte jemand eine Droschke rufen?«
Dianas
Wunsch wurde von Diener zu Diener weitergegeben, da keiner der höherrangigen
Diener bereit war, sich dafür herzugeben, für einen anderen Diener Botengänge
zu machen, bis schließlich der Page den Auftrag erhielt.
Als Diana
endlich in einer muffigen Kutsche saß, bat sie den Fahrer, sie zu einem der
Gasthäuser in der City zu bringen. Dann kramte sie in ihrem Täschchen herum, um
sich davon zu überzeugen, daß sie ihr Geld dabei hatte. Diana hatte sich ein
neues Reitpferd kaufen wollen und jeden Pfennig der großzügigen Geldgeschenke
ihrer wohlhabenden älteren Schwestern gespart. Sie besaß jetzt einhundert
Pfund – in ihren Augen ein unermeßliches Vermögen.
Sie wurde
am Weißen Hirsch in der Nähe der Lombard Street abgesetzt. Diana hatte genug
Verstand, um zu wissen, daß ein respektabler Gasthof einer der wenigen Orte
war, wo eine junge Dame, die allein reiste, kein Aufsehen erregte.
Der Weiße
Hirsch war ein alter Tudor-Gasthof mit Galerien, die um einen Innenhof liefen.
Nachdem sie ein Zimmer reserviert und etwas kalten Braten und Salat gegessen
hatte, wagte sie sich in die geschäftigen Straßen der City. Aber ihre vornehme
Kleidung und die Tatsache, daß sie nicht von einem Mädchen begleitet wurde,
lösten neugierige Blicke aus. Mice war ihre Kleidung wegen seiner
Kurzsichtigkeit nicht aufgefallen, und als der Butler sie als den Dienstboten,
den sie vorgab zu sein, behandelte, folgten ihm die anderen Diener von Lady
Godolphin blindlings. Als eine Gruppe Lehrlinge begann, Diana zu belästigen,
beschloß sie, in ihren Gasthof zurückzukehren und die Maskerade zu beginnen.
Sie hatte Lord Dantrey geschrieben, daß sie am nächsten Tag bei Limmer sein
werde, aber auf einmal wollte sie noch am selben Abend dort eintreffen.
Sie gab
sich die größte Mühe mit ihrem Aussehen. Zu einem blauen Schwalbenschwanz, der
ihrem Bruder Peregrine gehörte, trug sie eine Lederhose und eine gestreifte
französische Weste seines Zwillings James. Sie versuchte, ihre gestärkte Halskrause
so modisch zu binden, wie sie es gesehen hatte, aber die Halskrause schien ein
Eigenleben zu haben, und Diana mußte sich schließlich damit zufrieden geben,
den Stoff mit den Fingern zu fälteln. Dann kämmte sie ihr kurzes Haar gegen den
Strich und wieder zurück, um so etwas wie eine Windstoßfrisur zu erzwingen,
worauf sie betont lässig die Stufen hinabschlenderte, »um die Zeche meiner
Schwester zu bezahlen, weil sie plötzlich abreisen mußte«.
Danach ging
sie noch einmal auf ihr Zimmer, um ihren kleinen Koffer zu holen, und war
befriedigt, daß sie niemand für ein Mädchen gehalten hatte. Zum Glück war der
Kropftauben-Stil unter den Dandys groß in Mode. Es war der letzte Schrei, mit
ausgestopfter, herausgestreckter Brust und in die entgegengesetzte Richtung
gerecktem Hinterteil spazierenzugehen, so daß Dianas gepolsterte Brust –
gepolstert, um ihre Formen zu verbergen – nicht im geringsten sonderbar
aussah.
Sie suchte
sich eine Mietkutsche, die sie zu Limmer bringen sollte. Und erst als der alte
Wagen nach Holborn zu rumpelte, begann sie sich ernsthaft zu fragen, ob sie den
Verstand verloren hatte. Was, wenn Lord Dantrey nicht kam? Konnte sie allein
zurechtkommen?
Natürlich
konnte sie das, redete sie sich ein. Man mußte sich doch bloß einmal anschauen,
wie erfolgreich sie bisher gewesen war.
Limmer war
ganz und gar nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte. Zum einen war er
voll, und mehrere Lebemänner beschwerten sich lautstark, daß sie kein Zimmer
bekamen, zum anderen bedurfte es nur eines Blickes, um Diana zu zeigen, daß der
Gasthof außerordentlich schmutzig war.
Als sie an
der Reihe war, glitt ein geschultes Auge
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