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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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empfing Gestalt-Etiketten vom Icon der Kathodenröhre, die mit ergänzenden Informationen vollgepackt waren, während Orlando mühsam dasselbe als Linear-Text von einem Übersetzungsfenster ablas, das er durch sein Exo-Ich in die Landschaft integriert hatte.
    Anhand der Bewegung der Sterne ließ sich die Zeitspanne zwischen jedem Einzelbild auf etwa 200 Jahre eingrenzen; die Software spielte fünfzig Bilder – 10000 Jahre – pro Tau ab. Die gesamte Ansicht war stark stilisiert und binär: keine Graustufen, sondern nur schwarz und weiß. Doch die Software hatte geschlußfolgert, daß die vertikalen Linien an jedem Stern eine Art Helligkeitsskala darstellten: Sie gaben die Entfernung an, bei der die Energiedichte der Strahlung des Sterns auf einundsechzig Femtojoule pro Kubikmeter sank, was – Zufall oder nicht – genau der Wert der kosmischen Hintergrundstrahlung war. Für Voltaire lag diese Entfernung bei etwa einem Achtzehntel eines Lichtjahrs, für die Sonne bei etwa einem Siebtel. Die Orthogonalprojektion ermöglichte, daß die ›Helligkeitslinien‹ für ein paar Hundert Sterne gleichzeitig und im selben Maßstab sichtbar waren. Eine realistische Perspektive von irgendeinem Punkt in der Galaxis aus hätte alle gezeigt, aber einige wären durch die Entfernung bis zur Unsichtbarkeit geschrumpft, wodurch die Bedeutung wesentlich unklarer geworden wäre.
    Als sich das Bild weiter ausdehnte, wurden die Linien aller Sterne bald zu identischen Ein-Pixel-Punkten reduziert. Yatima war verwirrt, hielt sich aber mit einem Urteil zurück.
    Als die gesamte Milchstraße in leicht gekippter Ansicht erkennbar wurde, hörte der Rückwärts-Zoom auf. Dann erschien plötzlich eine kurze vertikale Linie: Sie war zwölfhundert Lichtjahre lang, ragte aus der galaktischen Ebene heraus und war bereits nach einem Bild wieder verschwunden. Yatima hatte sich bereits gefragt, wie in diesem System Strahlungsquellen dargestellt werden mochten, die weniger als 200 Jahre leuchteten. Die einfachste Methode bestünde darin, ihre Gesamtenergie an die Strahlung anzupassen, die ein gewöhnlicher Stern im Laufe von zwei Jahrhunderten von sich gab. Auf dieser Basis entsprach eine Helligkeitslinie von zwölfhundert Lichtjahren einem Strahlungsausbruch, der mit dem Energieausstoß der Sonne in über vierzehn Millionen Jahren vergleichbar war. Das war genau die Art von Ausbruch, die durch zwei kollidierende Neutronensterne verursacht wurde.
    Neutronen warnen vor Neutronensternen? War das eine weitere Ebene in der vielschichtigen Bedeutung der Isotope?
    Alle zwei- oder dreihunderttausend Jahre kam es irgendwo in der Galaxis zu einem neuen Ausbruch. Kleinere Linien blitzten häufiger auf, die meisten vermutlich Supernovae. Ein paar korrespondierten mit bekannten Überresten. Orlando fragte nüchtern: »Ist das Geschichte oder eine Vorhersage?«
    »Nun, das Muster der schweren Isotope in der Kruste deutet darauf hin, daß die Transformer die Atmosphäre vor mindestens einer Milliarde Jahre umwandelten.« Wenn ihre Vorhersagen dieser Ereignisse in der für sie fernen Zukunft akkurat waren, würde das beweisen, daß sie die Dynamik von binären Neutronensternen wesentlich besser verstanden als die Astronomen von C-Z oder der Gleisner. Es war unmöglich, die Aufzeichnungen dieser uralten Ereignisse zu beurteilen, da sie weit vor der Gamma-Astronomie der Körperlichen stattgefunden hatten, doch wenn sich herausstellte, daß sie den Zeitpunkt der Kollision von Lac G-1 korrekt berechnet hatten, dann hatten sie sich als außergewöhnlich zuverlässige Prognostiker erwiesen.
    Yatima betrachtete Orlando, dessen Augen starr auf den Bildschirm gerichtet waren. Die Transformer konnten ihm eine Ewigkeit – in Begriffen der Körperlichen – ohne ein neues Lacerta versprechen. Sie konnten ihm die sichere Rückkehr zur Erde und zu allem, was ihm einmal etwas bedeutet hatte, garantieren.
    Etwa 100.000 Jahre vor der Gegenwart veränderte sich der Maßstab erneut. Yatima verfolgte unbehaglich, wie die Andromeda-Galaxis, die gesamte Lokale Gruppe und dann sogar noch weiter entfernte Galaxiencluster in Sicht kamen. Dann erschien um 26.000 vdG eine Linie, die fast zwei Milliarden Lichtjahre lang war und wie ein Spieß in der winzigen Milchstraße steckte.
    Nun zoomte das Bild schnell wieder heran, um gerade noch rechtzeitig einen Gammastrahlen-Ausbruch um 2.000 vdG zu zeigen: Lac G-1. Die Transformer hatten den Zeitpunkt des Ausbruchs korrekt mit dem nächst gelegenen

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