Diaspora
Einzelbild von 200 Jahren vorhergesagt und die Position und Energie pixelgenau angegeben.
Orlando schwieg weiterhin, als die Darstellung die folgenden zwanzig Millionen Jahre zeigte. In all dieser Zeit kam es zu keinen neuen Ausbrüchen, die der Erde nahe genug waren, um die Biosphäre schädigen zu können.
Doch wenn die Vorhersagen gleichermaßen zuverlässig waren, dann hatte vor 26.000 Jahren ein Ereignis im galaktischen Zentrum stattgefunden, das selbst die gewöhnlichen Ausbrüche in den Schatten stellte. In etwa eintausend Jahren würde die Schockwelle diese Region erreichen – und selbst wenn die Diaspora, die Gleisner und die noch auf der Erde befindlichen Poleis sofort die Flucht ergriffen, würde die Strahlungswelle dreißigmillionenmal intensiver als Lacerta sein, wenn sie schließlich über sie hinwegschwappte.
»Das ist unmöglich«, sagte Paolo entschieden. »Es wäre ein Gravitationskollaps von sechs oder sieben Milliarden Sonnenmassen nötig, um soviel Energie freizusetzen.«
Yatima hatte um ein Treffen gebeten, weil hie mit ihm über Orlando reden wollte, und nicht um zum tausendsten Mal die Bedeutung der Neutronendaten zu diskutieren. Doch Paolo schien entschlossen, zuerst das Problem des Zentrumsausbruchs zu beseitigen, bevor er auch nur ein Wort zu irgendeinem anderen Thema sagen wollte. Vielleicht war das völlig in Ordnung, denn die Überzeugung von der Existenz oder Nicht-Existenz dieses Ereignisses war nun zur Grundlage von allem anderem geworden.
»Das galaktische Zentrum enthält mehr als ausreichend Masse, je nach dem, wo man die Grenze zieht.«
»Ja, aber all diese Sterne befinden sich auf Umlaufbahnen. Sie werden nicht alle gleichzeitig in ein riesiges Schwarzes Loch fallen.«
Yatima lachte humorlos. »Auch die Neutronensterne von Lac G-1 befanden sich auf Umlaufbahnen. Sie hätten in den nächsten sieben Millionen Jahren eigentlich gar nicht kollidieren dürfen. Also würde ich meine Lebensplanung nicht darauf gründen, daß jede Bewegungsenergie erhalten bleibt, solange ich nicht weiß, was mit Lacerta geschehen ist.«
Paolo tat das Problem mit einem Achselzucken ab. Es war nicht seine Aufgabe, den Beweis zu erbringen. Selbst wenn die Botschaft richtig interpretiert worden war, mußten die Transformer nicht unbedingt die Wahrheit gesagt haben. Und selbst wenn sie ehrlich gemeint war, hieß es nicht, daß ihre Wahrheit unfehlbar war. Und auch wenn es bisher nicht gelungen war, Lacerta zu erklären, bedeutete das nicht, daß die Bewegungsgesetze beliebig außer Kraft gesetzt werden konnten. Wenn es eine rein akademische Streitfrage gewesen wäre, hätte Yatima sofort in jedem Punkt nachgegeben.
Hie blickte sich im Herz um und versuchte die Stimmung einzuschätzen. Die Leute unterhielten sich leise in kleinen Gruppen. Die Gespräche waren nervös und gedämpft, aber keineswegs verzweifelt. Seit der Veröffentlichung der Neutronendaten hatte Yatima in C-Z Voltaire ein genauso breites Spektrum an Reaktionen erlebt, wie sie die Körperlichen gezeigt hatten, als sie von Lacerta erfahren hatten. Viele Bürger hatten sich schlichtweg geweigert, den Zentrumsausbruch als reale Möglichkeit zu akzeptieren – und einige hatten sich paranoiden Phantasien hingegeben, die es durchaus mit denen der Körperlichen aufnehmen konnten, und erklärt, daß die Botschaft der Transformer ›rivalisierende‹ Zivilisationen in Panik versetzen und zusammenbrechen lassen sollte. Andere suchten nach Möglichkeiten, das Ereignis zu überleben. Wenn die Poleis in den Schatten eines Planeten gebracht wurden, waren sie vor der Gammastrahlung abgeschirmt, aber nicht vor dem Neutrino-Sturm, der intensiv genug war, um selbst die robustesten Molekularstrukturen zu beschädigen. Der plausibelste Plan, von dem Yatima bislang gehört hatte, sah vor, die Daten jeder Polis als Muster tiefer Gräben auf einer Planetenoberfläche zu codieren und dann eine gewaltige Armee von nicht-intelligenten Robotern zu bauen, vom Nano- bis in den Makro-Bereich, in der Hoffnung, daß einige überlebten und imstande waren, die Polis zu rekonstruieren.
»Gehen wir einmal davon aus, daß die Schockwelle dieses Ausbruchs tatsächlich unterwegs ist und die Botschaft eine Warnung darstellt.« Paolo lehnte sich in seinem Sitz zurück und betrachtete Yatima freundlich. »Wenn die Transformer also aus Herzensgüte die Mühe auf sich genommen haben, einen gesamten Planeten voller codierter Neutronen zu erschaffen, warum haben sie uns
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