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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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eine Eigenschaft eines Neutrons, die sich verändern läßt, ohne es in etwas ganz anderes zu verwandeln. Die Länge des Wurmlochs.«
    Orlando schien etwas einwenden zu wollen, doch dann hob er die Hände in einer Geste der Kapitulation. Es hatte keinen Sinn, darüber zu diskutieren, denn bald würden sie ohnehin eine Antwort erhalten.
    In Blancas Erweiterung der Kozuch-Theorie besaßen die meisten Wurmlöcher der Elementarteilchen – nicht anders als in der traditionellen Version – die gleiche Länge und Dicke. Die zwei Öffnungen, also die zwei Teilchen, hatten dieselbe mikroskopische 6-Sphäre miteinander gemeinsam. Das war der wahrscheinlichste Zustand für ein aus dem Vakuum entstandenes Wurmloch, und im Gegensatz zu passierbaren Wurmlöchern konnten sie ihre Länge nicht mehr nach Belieben wählen, nachdem sie sich gebildet hatten. Doch es gab keinen theoretischen Grund, warum keine längeren existieren konnten: Ketten aus kurzen Wurmlöchern, deren einzelne Öffnungen miteinander verbunden waren, eine Aneinanderreihung von Mikrosphären, die in die sechs makroskopischen Extra-Dimensionen hinausreichten. Nach ihrer Erschaffung würden sie stabil bleiben, also bestand das Problem nur darin, sie überhaupt erst einmal herzustellen. Gewöhnliche Techniken zur Verbindung – Kollisionen mit roher Gewalt – führten nur dazu, daß die zwei Mikrosphären zu einer verschmolzen.
    Sinclair hatte mehrere Billionen Elektronen, Protonen und Neutronen getestet und keine langen gefunden, doch das bewies keineswegs, daß sie physikalisch unmöglich waren, sondern bestätigte nur, daß sie in der Natur äußerst selten waren. Und wenn die Transformer beabsichtigt hatten, ein spezielles und dauerhaftes wissenschaftliches Erbe zu hinterlassen, dann konnte Yatima sich nichts vorstellen, was besser dazu geeignet wäre. Lange Neutronen besaßen das Potential, eine fundamentale Frage zu erhellen, mit deren Lösung eine jugendliche Zivilisation andernfalls Jahrtausende beschäftigt wäre. Eingeschlossen in stabile Isotope auf einem Planeten, der um eine langsam brennende Sonne kreiste, würden sie dreißig oder vierzig Milliarden Jahre lang verfügbar bleiben. Es war sogar möglich, daß sie zur Erhellung des diametral entgegengesetzten Problems ihrer Erschaffung beitrugen: die Verkürzung von passierbaren Wurmlöchern, das Geheimnis galaktischen Reisens.
    Die Nanomaschinen hatten den Strahlenteiler fertiggestellt und wandten sich nun einem zweiten Satz von Spulen zu, die den einen Quantenzustand des Neutrons rotieren lassen sollten, während es sich gleichzeitig auf zwei alternativen Kursen fortbewegte. Auf den ersten Blick gab es keine offenkundige Methode, um ein langes von einem kurzen Teilchen zu unterscheiden. Keins von beiden besaß ein passierbares Wurmloch, also konnte man auch kein Signal hindurchschicken und die Zeit messen. Sinclair hatte jedoch erkannt, daß die übliche Klassifikation von Teilchen in Fermionen und Bosonen etwas komplexer wurde, wenn man lange Teilchen zuließ. Die klassischen Eigenschaften eines Fermions bestanden darin, daß es einen Spin von einer halben Einheit besaß, daß es dem Pauli-Verbot gehorchte (das alle Elektronen in der Atomhülle und alle Neutronen und Protonen im Kern daran hinderte, in den gleichen Zustand geringster Energie zu kollabieren) und daß eine Drehung um 360 Grad zur Folge hatte, daß sich seine Phase um 180 Grad gegenüber der ungedrehten Version verschob. Ein Fermion benötigte zwei volle Drehungen – 720 Grad –, um wieder dieselbe Phase zu erreichen. Bosonen benötigten nur eine Drehung, um wieder ihren ursprünglichen Zustand zu erreichen.
    Jedes lange Teilchen, das aus einer ungeraden Anzahl individueller Fermionen bestand, behielt die ersten beiden Fermionen-Eigenschaften; wenn es dagegen auch Bosonen enthielt, würde sich ihre Anwesenheit am Muster der Phasenveränderungen zeigen, wenn es gedreht wurde. Ein langes Teilchen mit einer Wurmloch-Sequenz von ›Fermion-Boson-Fermion-Boson‹ wäre genauso wie ein einfaches Fermion nach einer Drehung phasenverschoben und nach zwei Drehungen phasengleich, doch eine dritte Drehung würde es sofort wieder in die ursprüngliche Phase bringen. Eine Abfolge von mehreren Rotationen konnte einen noch tieferen Einblick in die Struktur des Wurmlochs offenbaren: Für jedes individuelle Fermion in der Kette waren zwei Drehungen nötig, um die Phasengleichheit des Teilchen wiederherzustellen, während für jedes Boson nur eine

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