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Diaspora

Diaspora

Titel: Diaspora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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warteten darauf, daß das Muster wiederkehrte. Nach zweiundzwanzig Minuten zerfiel das Neutron, ohne sich zu wiederholen. Theoretisch hätte das resultierende Proton dieselbe verborgene Struktur enthalten müssen, doch Yatima hatte keine Vorkehrungen getroffen, um es einzufangen. Außerdem hätte die ganze Maschine umgebaut werden müssen, um den Test an einem geladenen Teilchen ausführen zu können.
    Hie gab dem Analysator die Anweisung, auf eine wesentlich höhere Rotationsfrequenz umzuschalten. Das zweite Neutron produzierte sehr schnell exakt dieselbe Sequenz wie das erste und überlebte lange genug, um mit der Wiederholung zu beginnen – nach sechs mal zehn hoch achtzehn Segmenten. Sechs Exabyte Daten entsprachen nicht gerade einer Polis-Bibliothek, aber es blieb genügend Platz für mehr als den Fingerabdruck des Urhebers oder ein paar subatomare Graffiti.
    Der Bildschirm übersetzte die Sequenz in Orlandos stilisierte Wendeltreppe, ein gewundenes Band, das an die DNS-Helix erinnerte, aber wesentlich länger als irgendein Genom oder Mentalkeim war. Bis zu diesem Moment hatte Yatima nie tatsächlich die Hand einer Alien-Zivilisation gespürt; die Signatur der Isotopen war unzweideutig, aber viel zu amorph, um mehr als die Tatsache ihrer Künstlichkeit vermitteln zu können. Sie hatten keine Ruinen gefunden, keine Monumente, keine Scherben – und es war unmöglich festzustellen, ob das Leben in den Oasen biologisch mit den Transformern verwandt war, ob es sich um ihre künstlichen Haustiere handelte oder lediglich auf einen Zufall zurückzuführen war, der in keinerlei Verbindung zu ihnen stand. Doch nun offenbarte sich, daß dieser Planet von Artefakten übersät war, die zudem älter als jeder Wolkenkratzer oder jede Pyramide und gehaltvoller als jeder Papyrus oder optischer Datenspeicher waren. Und jedes Pikogramm atmosphärischen Kohlendioxids enthielt dreihundert Milliarden davon.
    Hie drehte sich zu Orlando um. »Sollen wir die Nachricht sofort verbreiten oder erst eine Interpretation erstellen?« Die Bibliothek quoll über vor Mustererkennungssoftware – das Ergebnis von Versuchen aus drei Jahrtausenden, sich auf diesen Moment vorzubereiten. Andere Bürger hatten bereits die meisten davon an verschiedenen Swift-Genomen ausprobiert, um erfolglos nach verborgenen Botschaften zu suchen.
    Orlando brachte ein verschwörerisches Grinsen zuwege. »Es ist schließlich etwas anderes, als in eine Grabkammer einzubrechen. Wir zerstören nichts, wenn wir es uns nur ansehen.«
    Yatima sprang in die Index-Landschaft der Xenolinguistik, einen Raum voller Vitrinen mit fiktiven Rosetta-Steinen, zerbrechlichen Schriftrollen und Manuskripten und kuriosen elektromechanischen Entzifferungsmaschinen. Hie erstellte eine Verbindung vom Speicher mit den Neutronendaten zu einer Abfolge dieser Analyseprogramme. Orlando war hie gefolgt, und nun standen sie auf dem Teppich des Raums und sahen schweigend zu, wie ein Schwarm blauweißer Leuchtkäfer, die die Daten repräsentierten, von Icon zu Icon wanderte.
    Das zwölfte Icon in der Kette war eine uralte Kathodenbildröhre, die ein geradezu absurd naives Programm darstellte, das Yatima nur deshalb einbezogen hatte, weil es sehr wenig Zeit für die Analyse benötigte. Als die Leuchtkäfer die Bakelit-Verkleidung umschwärmten, erwachte die Bildröhre sofort zu grellem Leben.
    Das Bild begann mit einer einzigen kurzen vertikalen Linie, worauf allmählich Dutzende, dann Hunderte von ähnlichen Linien von außen ins Bild wanderten. Yatima konnte nichts mit dem Muster anfangen, aber die Software hatte es identifiziert: Die Endpunkte der Linien bezeichneten die Positionen von Sternen – vor etwa fünfzig Millionen Jahren. Seltsamerweise war es keine perspektivische Ansicht, sondern eine Orthogonalprojektion. Verriet das etwas über das Wahrnehmungssystem der Transformer? Yatima riß sich zusammen; irdische Landkarten waren in allen möglichen Projektionen erstellt worden, von einer plattgedrückten Orangenschale bis zur Reflexion des Planeten in einem riesigen Zerrspiegel. Keine davon verriet irgend etwas über die optische Wahrnehmung der Körperlichen.
    Orlando seufzte schwer. »Anordnungen von Pixeln? Ist es so einfach?« Er klang beinahe enttäuscht, doch dann lachte er begeistert. »Gute alte zweidimensionale Bilder, die sich zeitlich verändern! Eine hübsche Antithese zum Abstraktionismus!« Wenig später fügte er hinzu: »Selbst wenn es nur ein Fragment der Daten ist.« Yatima

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