Dicke Hose (German Edition)
vielleicht doch in der Hausnummer geirrt habe. Forschend lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Wo bitte sind die exklusiven Mobiltelefone? Dabei macht der Laden sehr wohl einen exklusiven Eindruck, was allerdings hauptsächlich auf die Idee des Innenausstatters zurückzuführen ist, den Eingangsbereich mit hellem Teppichboden auszulegen. Total unpraktisch. Ist bestimmt bekifft gewesen, der gute Mann.
Bei Wohnungsbesichtigungen wäre ein solcher Boden das Todesurteil jeder Verkaufsprovision. Niemand möchte heutzutage noch Auslegeware in seiner Wohnung, erst recht nicht, wenn sie weiß ist.
Die linke Seite des Eingangsbereiches wird fast komplett von einer langen, gläsernen Verkaufsvitrine eingenommen. Sie ist dunkel getönt und mit tinnefartigem Kleinkram bestückt: Schlüsselanhänger in Herzchenform, Portemonnaies mit Glitzersteinen, die ganze Palette an Kinkerlitzchen. Hinter der Vitrine ragt ein imposantes schwarzes Regal bis an die Decke. Verdeckte Wandlampen beleuchten unaufdringlich die Regalböden. Ganz nach Britneys Geschmack, schätze ich mal. Auf den Regalen, angeordnet wie feinste chinesische Porzellanfiguren, befinden sich die Handtaschen und setzen vermutlich gerade Staub an. Kleine, große, bunte, einfarbige, zerknitterte und total unpraktische Taschen – Ramsch, so weit das Auge reicht.
Zwischen Glastresen und Regalmonster steht Mr. Spock und schaut mich fragend an. Bis auf seine Haare, die exakt der Regalfarbe entsprechen und die offenbar auch mit demselben Lack versiegelt wurden, ist alles an dem Kerl … beige. Hellbeige, um genau zu sein. Sein Anzug, das Hemd und sogar die unifarbene Krawatte. Wie ein gepelltes Ei mit Bart sieht er aus und verstärkt so auf wundersame Weise den außerirdischen Eindruck dieses Ladens.
«Also … Das mit Jackie tut mir leid», sage ich, weil der Typ mich immer noch so dämlich anstarrt. Dabei interessiert mich die Frau nicht die Bohne. Vielmehr würde ich gerne wissen, wo ich hier gelandet bin. «Können Sie mir vielleicht sagen, ob ich hier bei …» Zur Sicherheit schaue ich noch mal auf mein Handydisplay. «Ob ich hier bei … Mukki bin?»
Im Stillen bete ich, dass er nein sagt.
«Ach du liebe Güte!», bricht es statt einer Antwort aus ihm heraus. Sein Musketierbart kräuselt sich gefährlich. «Haben Sie die Kelly etwa im Auto gelassen? Dann sind Sie hoffentlich gut versichert. Ausgerechnet die Kelly!» Er schüttelt oberlehrerhaft den Kopf. «Wird häufig entwendet und später bei eBay versteigert.»
Wären seine Haare nicht fest betoniert, stünden sie ihm jetzt vermutlich zu Berge. Wovon redet der Kerl nur? Bin ich hier nun bei Mukki oder nicht?
«Am besten, Sie holen die Kelly herein.» Er hört nicht auf, mir mit dem Thema auf die Nerven zu gehen. «Oder wollen Sie sich vorher noch kurz die Marcie anschauen? Vermutlich müssen Sie die später auch mitnehmen.» Er seufzt. «Wenn Sie mich fragen – ich glaube ja, sie wurde nicht gut behandelt.»
Herrje, ist das hier etwa ein Frauenhaus?
Doch die Sorge um Marcie scheint bei Mr. Spock nur von kurzer Dauer zu sein. Mit frisch entknittertem Bärtchen macht er sich jetzt daran, einen Karton auf den Glastresen zu hieven und mit Engelsgeduld auszupacken. Dabei kommt zunächst eine weitere Schachtel zum Vorschein, dann ein Stoffbeutel. Mit spitzen Fingern greift er sich das Ungetüm, öffnete es an zwei Schnüren und fasst anschließend hinein. Gespannt halte ich die Luft an. Derart sorgfältig kann ja wohl nur das neue iPhone verpackt worden sein. Oder es handelt sich um eines der luxuriösen Mobiltelefone, von denen Florian erzählt hat. Sauteure Dinger. Soweit ich mich erinnere, kostet das Einsteigermodell etwa 4000 Euro. Nach oben sind dann, je nach Ausstattung, keine Grenzen gesetzt.
Als die Hand von Mr. Spock aus dem Beutel wieder auftaucht, hält sie jedoch kein Luxushandy bereit, sondern – wie sollte es anders sein – eine weitere Tasche.
Fasziniert beobachte ich, wie der Verkaufsclown nun seinen Blick andächtig über die Tasche streifen lässt und mit der Hand sanft die Konturen nachzeichnet. Dann öffnet er vorsichtig alle Reißverschlüsse und sieht hinein. Zu guter Letzt hält er sich das Gesamtwerk noch unter die Nase, um an dem Leder zu schnüffeln. Eine neue Partydroge?
Ich unterdrücke ein Stöhnen. Hier bin ich definitiv falsch. Ich sollte mich schleunigst vom Acker machen.
«Äh … ich schätze mal, ich habe mich in der Hausnummer geirrt», sage ich und
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