Dicke Hose (German Edition)
für einen schwulen Modefuzzi hält, weil ich in dem Laden – oh mein Gott, mir fällt etwas ein.
NOCH FÜNF STUFEN. Mr. Spock ist schwul! Dass ich da nicht längst draufgekommen bin! Ich fasse es nicht, schon wieder ein Schwuler in meinem direkten Umfeld. Ist man denn vor denen nirgendwo mehr sicher?
NOCH VIER STUFEN. Ich kann nicht mit einem Schwulen zusammenarbeiten, unmöglich. Sieht man ja an Marcel.
NOCH DREI STUFEN. Was, wenn der Spock da oben mich anmacht? Wenn der mich in diesem Outfit sieht, denkt der doch todsicher, ich sei ebenfalls vom anderen Ufer.
NOCH ZWEI STUFEN. Hilfe!
NOCH EINE STUFE. Und Victoria? Hält sie mich etwa für einen homosexuellen Albino-Italiener mit löchrigem Brusthaar und Alkoholproblemen?
Oben angekommen, erwartet mich Mr. Spock und verzieht das Gesicht zu einem Grinsen. Ich sag es ja: Schon geht das Angebaggere los.
«Wo bleibst du denn?», fragt er scheinheilig, aber ich weiß genau, was er eigentlich sagen will, nämlich: «Soll ich dir vielleicht aus den Klamotten helfen, du Hosenpinkler?»
Damit wären die Fronten wohl geklärt: Wir beide werden keine Freunde.
«Kai!», ruft Victoria. «Im Foyer wartet Kundschaft.» Sie klingt immer noch ein bisschen gehetzt. «Schaffst du es vorn noch eine Weile allein?»
Warum nur ist sie zu dem Kerl so freundlich? Und mich behandelt sie wie einen Teenager auf dem Weg zur Konfirmation seiner Cousine. Dabei ist er doch derjenige, der die Meise hat. Und ich bin der Sohn des Hauses.
«Ich zeige Alexander schnell den hinteren Teil des Ladens, dann schicke ich ihn dir ins Foyer, und du erklärst ihm dort das Wichtigste, ja?»
Der Taschen-Fetischist nickt. «Alles klar. Sicher wird er alles auf Anhieb verstehen, er ist ja unser Top-Verkäufer .» Sein Tonfall wirkt irgendwie gekünstelt. «Ab 16.00 Uhr müsst ihr ohnehin allein zurechtkommen. Du weißt ja, ich habe dann einen Termin.»
Viktoria wirft einen kurzen Blick auf die Uhr. «Wir beeilen uns!» Schon drängt sie sich an mir vorbei und tippelt durch den Flur. «Das Foyer im Eingangsbereich und den Keller kennst du ja schon. Jetzt zeige ich dir schnell noch die weiteren Verkaufsräume.»
Willenlos trotte ich hinterher. Nicht einmal der Blick auf ihren Hintern kann meine Schmach lindern.
Nacheinander klappern wir die Räume des rückwärtigen Geschäftsteils ab. Ich stelle lange, irrelevante Fragen, um möglichst viel Zeit zu vertrödeln. Victoria gibt kurze, präzise Antworten, um mich möglichst schnell an die Tunte auszuliefern. Es ist ein anstrengender Wettlauf gegen die Uhr.
Der hintere Verkaufsbereich teilt sich im Großen und Ganzen in zwei Räume auf: einen bemerkenswert geräumigen, der durch ein fulminantes Schuhregal von einem etwas kleineren getrennt wird. Außerdem gibt es noch einen sehr kleinen Raum, den Victoria das Boudoir nennt, sowie eine geräumige Lounge-Ecke mit Sofa. Die Wände hier oben sind in demselben gediegenen Cremeweiß gestrichen, und es baumeln ebenso opulente Kronleuchter von der Decke wie im Keller. Der Boden ist mit dunklen Holzdielen ausgelegt, was, im Gegensatz zum Eingangsbereich, sicher um einiges praktischer zu pflegen ist. Zunächst erfahre ich, dass in dem großen Raum die aktuelle Kollektion hängt, wohingegen sich auf der anderen Seite des Raumteilers ausgewählte Jeansmodelle, Sonnenbrillen und Basics finden, was auch immer damit gemeint ist.
Plötzlich fällt mein Blick auf ein Preisschild.
«295 Euro für eine Jeans!? Da hat wohl jemand das Komma vergessen», witzele ich und kassiere einen missbilligenden Blick, gefolgt von einem Stirnrunzeln.
Ich versuche, mich zu beherrschen, schließlich muss ich so tun, als sei ich aus der Branche und Wucherpreise mein Lebenselixier.
«Ha!», platzt es dann aber doch aus mir heraus, als ich ein bedrucktes T-Shirt für 189 Euro entdecke. «Die Farbe … das ist wohl Blattgold, was? Wenn mein … äh, Vater sich da nicht ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt hat. Also, mit dem Preis, meine ich.»
Das Stirnrunzeln verdichtet sich. «Hast du eigentlich überhaupt jemals bei Miucci im Laden gearbeitet?», will Victoria sogleich wissen. «Oder auch nur in der Eventplanung?»
Okay, jetzt ist Vorsicht geboten. Zumal man ihrem Tonfall ein kleines bisschen Ironie entnehmen kann. Sie deutet auf das T-Shirt. «Ich meine, da es sich bei diesem Shirt um eine Fremdmarke handelt, hat dein Vater den Preis weder selbst gemacht noch mit einem Medium besprochen. Er wurde ihm schlicht und einfach
Weitere Kostenlose Bücher