Dicke Hose (German Edition)
verstehe ich nicht, wieso ich dann als lebendes Model herhalten soll.»
Victoria schüttelt den Kopf. «Du machst hier natürlich Werbung für die Frauen. Die gucken sich die Anzüge an, sagen zu Hause ihrem Mann oder Freund, was gerade in ist, und dann wählen sie gemeinsam etwas im Netz aus.»
O Schreck! Also bin ich schuld, wenn demnächst ein ahnungsloser Mann zu Hause diesen Bibo-Anzug auspackt? Ich bin ein Verräter am männlichen Geschlecht!
Victoria grinst mich an. «Du hast offenbar keine Freundin …»
Auch wenn ich diese Unterstellung eigentlich eine Unverschämtheit finde, bin ich doch erleichtert, dass sie unter meiner gelben Hülle noch den Hetero erkennt und nicht nach meinem Freund gefragt hat.
«Wieso?», frage ich misstrauisch. Möchte sie vielleicht mit mir ausgehen?
«Na, weil du sonst wüsstest, dass Frauen das Einkaufsverhalten ihrer Männer steuern.» Dann wird ihr Grinsen noch breiter. «Vielleicht stellt deine Freundin es aber auch so geschickt an, dass du gar nicht bemerkst, wie du manipuliert wirst.»
Mir fehlen die Worte. «Ich … also …»
In diesem Moment meldet Kai sich über Victorias Knopf im Ohr. Sie nestelt an ihrem Rollkragen herum und sagt kurz darauf, wie zu sich selbst: «Alles klar, wir kommen.»
O nein. Ich will nicht nach vorn! Denn eines hat die schlaue Victoria vergessen: Als heterosexueller Mann kann man keine Handtaschen verkaufen, das ist genetisch nicht vorgesehen. Vollkommen ausgeschlossen. Wie denn auch? Ich weiß ja nicht mal, wie man eine Tasche hält. Das wäre in etwa so, als müsste ich einen Vortrag über Slipeinlagen halten. Oder über Epiliergeräte.
«Äh … Ist es nicht vielleicht besser, ich bediene heute in einem der hinteren Verkaufsräume?» Zum Beispiel bei den Höschen?
«Also, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, du hast Angst.»
Witzig.
«Ich, Angst? Wovor denn?»
«Weiß ich auch nicht. Vielleicht vor Kai?»
«Schwachsinn!» Ich bin ehrlich empört.
«Na, dann vielleicht vor den Taschen? Bist du mit den Modellen vertraut? Sicher arbeitest du regelmäßig in eurem Stammhaus in Mailand, oder?»
«Also … nicht ganz sooo regelmäßig.»
Victoria legt den Kopf schief. «Wann warst du denn das letzte Mal in Italien?»
Öhm. Also, wenn man Piccola Italia , das kleine italienische Restaurant bei Hambitare um die Ecke, mitzählt, dann war ich letzte Woche in Italien. Ansonsten: mit sechzehn.
«Hm, in … Italien?», stottere ich. «Tja, so genau weiß ich das gar nicht mehr … Es kommt mir aber vor, als sei es gestern gewesen.»
Warum ist das überhaupt wichtig? Ich bin der Sohn des Hauses. Ich bin Spezialist. Der Top-Verkäufer. Das muss nicht hinterfragt werden.
«O.k., pass auf.» Victoria sieht mich intensiv an. «Es kam gerade neue Ware, ich erkläre dir nur kurz das Nötigste.»
Das Nötigste erklärt Victoria mir anhand eines der zentnerschweren Prospekte, die auf dem Tisch der Sitzecke herumliegen. Wir setzen uns nebeneinander auf das graue Sofa, und sie beginnt, mit Überschallgeschwindigkeit durch die Seiten zu blättern. Dabei weht mir unentwegt der Duft von Sommerwiese light in die Nase und macht es mir unmöglich, zu der nötigen Konzentration zu finden. Zumal Victoria jetzt Namen ausstößt, die ich im Leben noch nicht gehört habe.
«Kelly, Jackie und Marcie …»
Ihr schlanker Zeigefinger beschreibt im Katalog ein wildes Zickzackmuster, und mir wird schwindelig. Also schiele ich nebenbei auf die Cover der ausliegenden Zeitschriften. Vogue heißt die oberste. Abgebildet ist eine hübsche Frau in einem ärmlich wirkenden Häkellappen. Sieht mir irgendwie eher aus wie ein Spendenaufruf für das Rote Kreuz als nach einer Kaufanregung.
«Alexander?»
Ich zucke zusammen.
«Hörst du mir überhaupt zu?»
«Absolut. Du warst bei Marcie.»
«Nein, ich war bei Cookie.» Sie blättert hektisch weiter durch den Katalog. «Hier haben wir außerdem Karlie, Daria und Jade.»
Ich bin fasziniert. Bei Natasha frage ich mich, ob sie wohl nach Flos Freundin benannt wurde, und bei einem Modell, das Black Katie heißt, muss ich mir ein Lachen verkneifen. Klingt irgendwie mehr nach schwarzer Mamba als nach einer Handtasche.
«Haben die Taschen eigentlich auch Nachnamen?», frage ich, halb zum Spaß, halb weil es mich wirklich interessiert. Man stelle sich nur mal vor, ich müsste mir zu den vielen Modellen auch noch die Nachnamen einprägen!
Entschuldigung, kann ich bei Ihnen die Natasha
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