Dicke Hose (German Edition)
vom Hersteller diktiert.»
Oh. Ach so. Natürlich.
Fremdmarke ? Also, für mich ist das hier alles fremd.
«Weißt du», ich mache eine wegwerfende Geste, «dieser ganze Geldkram ist nichts für mich. Darum sollen sich andere kümmern. So kann ich mich fein raushalten, sollte sich jemand darüber beschweren, dass zum Beispiel diese Schuhe hier …» Lässig greife ich mir ein paar zu kurz geratene Stiefel und will gerade schnodderig den Preis vorlesen, als ich die Zahl entziffere. «… 475 Euro kosten», bringe ich krächzend hervor und lasse vor Schreck einen Stiefel fallen.
«Vorsicht!», ruft Victoria besorgt, «die Schnalle ist mit Swarovski-Steinen besetzt!» Sie bückt sich, um den Schuh aufzuheben. «Im Übrigen habt ihr mit diesem Preis sehr wohl etwas zu tun. Das ist ein Miucci-Schuh, wie man am Logo unschwer erkennen kann.» Sie deutet auf den Schriftzug, der die Innensohle ziert, dann stellt sie das teure Teil andächtig zurück ins Regal.
Mir richten sich die Nackenhaare auf. Swarovski-Steine? Das ist doch wirklich kaum zu glauben. Wo man auch hinguckt, machen sich die Russen ihre Taschen voll.
Angesichts meines ungläubigen Blicks fühlt Victoria sich bemüßigt, eine weitere Erklärung abzugeben: «Anders als in reinen Markenläden führen wir hier auch noch Designer wie Dolce & Gabbana, Balmain, Chloé und Marc Jacobs, um mal ein paar Beispiele zu nennen.»
«Und natürlich Miucci», schieße ich ins Blaue.
Offenbar war mein Kommentar nicht so abwegig. Sah Victoria bis eben aus, als glaubte sie mir kein Wort, hat es nun zumindest den Anschein, als halte sie mich nur für einen harmlosen Volltrottel. Definitiv eine Steigerung.
«Natürlich. Bei der Eigenmarke Miucci versucht dein Vater nicht nur modisch vorausschauend zu sein, sondern außerdem noch umweltbewusst zu produzieren. Du weißt schon: Biobaumwolle, Anfertigung in Deutschland, alternative Materialien und so.» Sie greift sich eine pinkfarbene Tasche, die zur Dekoration an einer kopflosen Puppe hing. «Dieses Modell ist zum Beispiel gar nicht aus Leder. Sieht trotzdem toll aus, oder?»
Ich versuche gar nicht erst, dem Teil etwas abzugewinnen, sondern gebe gleich ein vielsagendes «Total!» von mir. Beiläufig werfe ich einen Blick auf das Preisschild – und muss mich an der Puppe festhalten. 595 Euro!!! Das kann sich doch kein Öko leisten! Ich meine, Bio-Baumwolle und Jute-Taschen gibt es doch auch bei H&M. Wer bitte schön kauft also derart teuren Kram? Doch wohl niemand, der ganz bei Trost ist! Aber klar, das Sortiment dieses Ladens richtet sich an gelangweilte Frauen, die den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun haben, als das Geld ihrer schwer schuftenden Männer zu verjubeln. An anstrengende Schmarotzer-Britneys, die ihren kurzbeinigen Partnern den letzten Euro aus der Tasche saugen.
Mit solchen Frauen möchte ich nun wirklich nichts zu tun haben. Denn mal ganz ehrlich: Niemand, der sein Geld durch eigene, schweißtreibende Arbeit verdient, würde auch nur in Erwägung ziehen, eine Jeans für 300 Euro oder eine Tasche für den Preis eines Laptops zu kaufen!
Ich rege mich derart auf, dass ich gar nicht bemerke, dass wir inzwischen im Boudoir stehen.
«Hier schließt sich der Kreis. Hier findet die Miucci-Kundin, was ihr zu einem kompletten Outfit fehlt: Unterwäsche!» Wieder schwingt ein stolzer Unterton in Victorias Stimme mit. Als habe sie gerade kerngesunde Drillinge zur Welt gebracht. «Du siehst, man kann sich bei uns von Kopf bis Fuß einkleiden.»
Wie kann sie sich nur so in alles hineinsteigern? Ich meine, dies ist lediglich ein Raum voll mit Höschen. Nichts Weltbewegendes also.
Genervt blicke ich mich im Raum um und – revidiere mein Urteil. Was ich in diesem Raum erblicke, ist schon irgendwie bewegend. Beziehungsweise: Eine Frau, in eines dieser Wäschesets gekleidet, könnte einem Mann durchaus bewegende Momente bescheren.
Um mich herum, an Kleiderstangen und auf einem Tisch dekoriert, finden sich winzige, hauchdünne Unterwäscheteile. Nachthemden, BHs, alles, was das Männerherz höherschlagen lässt. Möglicherweise sollte ich meine Meinung über die Miucci-Kundin doch noch einmal überdenken. Denn wenn sie diese Wäsche trägt, hat sie zumindest einen Teil vom Geld ihres Mannes sinnvoll investiert.
Ob Victoria selbst auch eines dieser getupften Höschen unter ihrer seriösen Kluft verbirgt? Oder vielleicht das mit den schwarzen Schleifen? Oder …
Eine Woge Adrenalin brandet über mich
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