Dicke Hose (German Edition)
höre ich plötzlich Wasser. Viel Wasser.
Tanja sitzt im Badezimmer auf dem Rand einer weißen Monsterwanne, in die sich gerade gefühlte tausend Liter Wasser ergießen. Sie strahlt. «Du hast ja eine Wellnesswanne!»
Ich bin, ehrlich gesagt, genauso überrascht wie sie. Da sich in Florians Wohnung Bad und WC in getrennten Räumen befinden, bin ich noch nie in seinem Badezimmer gewesen.
«Aber du hast doch auch so eine Wanne», antworte ich und bringe Tanja damit kurz ein bisschen aus der Fassung.
Verlegen sieht sie mich an. «Ja … klar. Aber … äh … keine mit Massagedüsen und Starlight-Effekt! Also, du bist mir ja einer …» Sie steht auf, nimmt mir Flasche und Gläser aus der Hand und dekoriert sie auf dem Wannenrand. Dann zieht sie mich am Gürtel zu sich heran und flüstert mir ins Ohr: «Du bist wirklich ein Glückstreffer!»
Es ist unser erster Körperkontakt, wenn man von ein paar Wangenküsschen zur Begrüßung absieht, und ich habe Sorge, dass mein Kreislauf wieder ausflippt. Doch nichts dergleichen geschieht. Vielleicht weil ich an Massagedüsen und Starlight-Effekt denken muss?
Einen Moment sehen wir uns schweigend in die Augen, dann folgt die logische Konsequenz: Wir küssen uns.
Fast bin ich enttäuscht, dass Tanja nicht nach Sommerwiese light duftet, sondern irgendwie nach … Vanillekipferl extrastrong. Aber immer noch besser als das Aroma von orientalischem Hammelfleischgewürz.
Unsere Lippen finden sich erneut, und während Tanja ein paar wohlige Seufzer ausstößt, überlege ich, warum zum Geier mein Kumpel eine Wellnesswanne besitzt. Hat der sie noch alle?
Tanjas Mund löst sich von meinem. «Ich schau mich noch ein bisschen um, ja, Liebling?»
«Natürlich, mein … äh … Schatz.»
Kaum zu fassen, noch vor knapp drei Stunden war ich ein unbezahlter Taschenverkäufer in einer Tussen-Boutique, und auf einmal hat sich mein Leben komplett gewendet. Plötzlich bin ich ein Mann auf dem Weg in eine Beziehung. Und mit einer Wellnesswanne, ob ich will oder nicht.
Ich sehe Tanja zu, wie sie durch das riesige Wohnzimmer stöbert. Ab und an bewundert sie einen Sessel oder bestaunt einen Teppich, dann verschwindet sie im Flur.
Ob ich in ihren Augen wohl die Räume mit meiner Persönlichkeit ausfülle, wie Flos Natasha es von einem Mann erwartet? Möglicherweise bin ich gar nicht der klassische Loftbesitzer, und Tanja merkt das?
Ich greife nach der Champagnerflasche und will sie gerade öffnen, als ich Tanja fragen höre: «Schaaatz, wer ist denn der Kerl in deinem Schlafzimmer?»
Mir gefriert das Blut in den Adern. Ein fremder Kerl, hier in der Wohnung? Doch nicht etwa Flo, der seinen Flug ins Hospital verpennt hat? Bitte nicht! Ich knalle die Flasche auf den Tisch, hechte durch den Flur und gehe im Geiste schon mal die möglichen Ausreden durch.
Mit der dumpfen Vorahnung, mein neues Loftbesitzer-Image könnte sich schon sehr bald erledigt haben, platze ich ins Schlafzimmer.
«Meine Güte, Alex …» Tanja kniet auf dem Boden und starrt mit aufgerissenen Augen in eine Ecke des Zimmers.
Ich folge ihrem Blick – und kann nicht glauben, was ich sehe. Direkt vor mir steht ein mittelgroßer Metallkäfig, in dem ein Fellknäuel emsig im Laufrad turnt. Ein Hamster. Ich zwinkere dreimal mit den Augen, in der Hoffnung, es handele sich lediglich um einen Fleck auf meiner Iris, doch es ändert sich nichts.
«Ein erfolgreicher Mann mit Geschmack, der auch noch tierlieb ist», sagt Tanja begeistert. «Ach Alex, ich kann das alles kaum glauben!»
Ich ehrlich gesagt auch nicht. Sprachlos begutachte ich das rennende Tier. Flo besitzt einen Hamster? Erst die Doppelwanne und nun auch noch ein plüschiges Haustier? Führt Flo vielleicht ein Doppelleben? Ich meine, wir reden hier ja nicht von einem Hund oder einer Katze, was ich, genau genommen, auch schon merkwürdig gefunden hätte. Hier geht es um ein Kleintier! Ein klitzekleines, quietschendes Kleintier im Schlafzimmer!
Mir kommt ein schrecklicher Verdacht. Ist es vielleicht möglich, dass mein Kumpel schwul ist? Das würde jedenfalls die Wanne und sein Engagement in dieser Tussen-Boutique erklären. Und auch die Rasierwasserwolke, in die er sich ständig hüllt. Wobei ich bisher immer davon ausgegangen war, dass er damit Frauen betören will.
Kraftlos lasse ich mich auf die Kante von Flos King-Size-Bett plumpsen. Aber wer ist dann Natasha? Eine Alibibekanntschaft? Und die Frauenklamotten, die hier überall rumliegen?
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