Dicke Hose (German Edition)
Rollenspiele?
Ich bin zu betrunken, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Auf einmal fühle ich mich unendlich erschöpft. Am liebsten würde ich mich jetzt einfach hintenüberfallen lassen, mir ein Kissen heranziehen und schlafen. Muss ich nicht morgen ohnehin früh aufstehen, um den Laden aufzusperren? Wann war das bloß noch mal? Um neun? Zehn? Oder sogar schon um acht? Herrje, ich weiß nur noch, es war eine verdammt blöde Uhrzeit.
Für den Bruchteil einer Sekunde schweifen meine Gedanken ab zu Victoria. Was hat sie noch mal für einen Termin morgen früh? Irgendwie werde ich aus der Frau nicht schlau.
«Liebster, komm! Wir knipsen hier jetzt das Licht aus und lassen den kleinen Kerl schlafen. Unsere Wanne dürfte inzwischen voll sein. Hast du Kerzen?»
Mist, das hatte ich ja ganz vergessen. Warum müssen wir denn unbedingt gemeinsam baden? «Wollen wir nicht lieber gleich hierbleiben?», frage ich und klopfe verheißungsvoll auf den Platz neben mir im Bett.
Doch Tanja schüttelt den Kopf und zieht mich hoch. «Dafür ist später noch Zeit. Jetzt wollen wir erst mal in das heiße Bizzelwasser!»
Oh bitte, nicht schon wieder dieses Wort! Unter keinen Umständen möchte ich mit dem Gedanken an Mr. Spock ein Bad nehmen, erst recht kein heißes. Unmöglich.
«Nun sag schon: Gibt es hier irgendwo Kerzen?» Tanja schnappt sich die Champagnerflasche, nimmt meine Hand und zerrt mich hinter sich her ins Badezimmer.
«Kerzen? Äh … ich denke schon.» Denn dies ist ein Schwulen-Loft. Hier findet man vermutlich sogar ein Kirschkernkissen. Gleich neben dem farblosen Nagellack und der Gesichtsmaske.
«Oh, da sind sie ja schon. Wie praktisch, im Badezimmerschrank!»
Okay, damit ist es amtlich: Mein Kumpel ist schwul.
Tanja drapiert etwa zwanzig Teelichter auf dem Wannenrand und stellt Flasche und Gläser dazu.
«Du hast ja wirklich an alles gedacht.» Sie grinst mich frivol an und beginnt, sich auszuziehen. «Warum haben wir uns eigentlich nicht schon eher mal verabredet? Ich meine, wir passen ja geradezu perfekt zusammen, wer hätte das gedacht?»
«Tja. Ich weiß auch nicht.» Langsam ist mir alles egal.
Tanja trägt jetzt nur noch Unterwäsche. Nichts von Miucci, das sehe ich auf Anhieb.
«Ich habe ja immer gewusst, dass ich eines Tages den Traumprinzen zum Heiraten finden würde. Aber dass dieser Prinz in meiner direkten Nähe lebt, den gleichen Geschmack hat wie ich und auch noch denselben Beruf – das ist wirklich der Hammer!»
Sie schmiegt sich an mich. Wir küssen uns, und ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich …
kurz davor bin, im Stehen einzuschlafen,
kein Prinz bin,
vor dem ersten Sex nicht sagen kann, ob wir gut zusammenpassen.
Tanja entledigt sich jetzt auch noch ihrer restlichen Kleidung. Einen Moment genießt sie es, dass ich sie anstarre, dann klettert sie mit eleganten Bewegungen in die Wanne.
«Komm schon, Liebling. Das wird wunderbar!»
Wird es nicht. Jedenfalls nicht sofort. Ich öffne die Champagnerflasche und schenke uns ein.
Kaum dass ich im glühend heißen Wasser Platz genommen und durstig drei Gläser Champagner hinuntergestürzt habe, trifft mich die erste Fangfrage.
«Sag mal, Alex, das mit der anderen Frau, ich meine … die Klamotten im Flur und so … Also, du weißt schon …» Sie macht eine Pause und scheint nach den richtigen Worten zu suchen.
Mist. Die Klamotten. War ja klar, dass sie das nicht durchgehen lässt. Ich darf jetzt nicht die Ruhe verlieren. «Was für eine andere Frau?»
«Na ja, es sind wohl kaum deine Kleider, die hier herumliegen, oder?»
«Natürlich nicht. Ich schätze mal, die gehören Natasha.» Was rede ich denn da? Totaler Bullshit! Ich muss mich jetzt wirklich mal ein bisschen konzentrieren. Schließlich will ich Tanja nicht verärgern.
«Die ist … also … das war eigentlich Florians Freundin. Also, die Freundin meines … Freundes.»
Mist, das klingt auch nicht gerade, als sollte man sich dringend mit mir einlassen.
«Und diesem Florian ist es egal, dass sich seine Freundin hier bei dir auszieht?»
«Äh … habe ich gesagt, sie hätte sich hier ausgezogen? Sie hat sich umgezogen. Also, sie und Florian … haben sich umgezogen. Hier. Also, neulich.»
Herrje, dieser Abend wird doch wohl nicht an Florians Unordnung scheitern?
Doch überraschenderweise macht Tanja jetzt eine versöhnliche Geste. «Ach, sie waren zu Besuch hier? Na, dann ist ja alles gut», sagt sie und strahlt mich an. «Ich
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