Dicke Hose (German Edition)
weniger nach notgeilem Wäschefetischisten aussehen ließe.
«Wäre es in Ordnung, wenn ich hier jetzt übernehme?», wendet sich Victoria mit aufgesetzter Unschuldsmiene an die Kundin und sieht im Anschluss mich an. «Dann könntest du zur Abwechslung vorn die Stellung halten und nebenbei die Taschenkollektion auspacken, die dort mitten im Weg steht.»
«Geht klar.»
«Und, Alexander?»
«Ja?»
«Vergiss nicht, dich vorher noch umzuziehen. Dein Outfit hängt im Keller auf der Kleiderstange. Rechts von dem gelben Anzug.» Sie lächelt zuckersüß.
Weiß Victoria denn nicht, wer Henning Baum ist und dass dieses Jeans-Outfit total angesagt ist?
Also, von Mode versteht sie definitiv nichts.
Dreieinhalb Minuten später, als ich mir den «Anzug des Tages» anschaue, wäre ich bereit, mir exakt diese Aussage mit einem glühenden Eisen auf die Brust brandmarken zu lassen. Das Grauen hat einen neuen Namen: Pink!
Dieser Versace muss ein schwuler Hawaiianer mit Drogenvergangenheit sein. Oder aber der Mann ist blind.
Die Hose des Anzugs ist zum Glück einfarbig – falls man bei einer pinkfarbenen Hose überhaupt von Glück sprechen kann. Doch Hemd und Jackett schlagen dem Fass den Boden aus. Sie sind schwarz-weiß gemustert, wie ein Zebra, und von goldenen und pinkfarbenen Schlingpflanzen durchbrochen. Ein Zebra im LSD-Dschungel! Von einer eckigen Schnörkelkante umrahmt. Etwas Ähnliches habe ich schon mal als Dekorfliese in überkandidelten Badezimmern gesehen.
Dieses Mal hat Victoria den Bogen eindeutig überspannt. Das werde ich nicht anziehen, niemals!
Wutschnaubend stürze ich aus dem Keller, durch den Laden und hinaus auf die Straße. Ohne Mantel, ohne Schal oder irgendetwas, das mich vor den eisigen Temperaturen schützen könnte. Der Himmel sieht aus, als würde es gleich anfangen zu schneien, doch mir ist das egal. Ein paar Schritte vom Laden entfernt hole ich mein iPhone aus der Hosentasche und wähle Florians Nummer. Scheißegal, wie es ihm geht, das hier muss aufhören!
Das Erste, was ich höre, als das Gespräch entgegengenommen wird, sind Straßengeräusche. Dann Schritte. Und Stimmen.
«Flo? Hallo?»
Eine Art Rückkopplung zertrümmert beinahe mein Trommelfell. Endlich ist Flos Stimme zu hören.
«Alex? Bist du es?»
«Witzig. Du siehst doch meine Nummer! Störe ich etwa?» In Krankenhäusern stört man ja irgendwie immer. Da hat man als Patient mehr Programm als die Teilnehmer der UNO-Vollversammlung.
Keine Antwort. Nur Geraschel.
«Gehst du spazieren?», frage ich. Dabei will ich im Grunde genommen gar nicht wissen, was er gerade macht. Eigentlich möchte ich nur loswerden, was sich hier so ereignet.
Aber obwohl die Kälte langsam durch mein Jeanshemd kriecht und meine Finger zu starren Eiszapfen werden, vergesse ich nicht, was sich gehört. «Wie geht es denn deinem Herzen? Haben die Ärzte schon etwas gefunden?»
Meine Fürsorge macht Flo ganz verlegen. «Nein, na ja … äh … nicht so recht», stottert er mit heiserer Stimme. «Nächste Woche soll ein …»
Leider kann ich nicht mehr verstehen, was nächste Woche Tolles gemacht werden soll, denn erstens spricht Flo schrecklich leise, und zweitens vernehme ich plötzlich ein mordsmäßiges Krachen in der Leitung. Als würde jemand, der keine Ahnung von Technik hat, einen Lautsprecher einschalten. Kurz darauf folgt der obligatorische Pfeifton, dann erklingt Musik. Schlimme Musik.
«… Ich will zehn nackte Friseusen … oh, oh, zehn nackte Friseusen … mit richtig feuchten Haaren …»
Ich hör wohl nicht richtig. «Florian?», sage ich jetzt etwas lauter. «Was ist denn da los? Wo bist du?»
«… Ich hab sie alle gehabt, ich hab sie alle gesehen, doch es gibt nur ein paar, die mich wirklich verstehen …»
Moment mal. Das ist doch – das kenne ich! Das ist … Après-Ski-Mucke! Das hier ist eindeutig eines der Lieder, für die man mit Bommerlunder betäubt sein muss, um es ertragen zu können. Und wenn mich nicht alles täuscht, singt da sogar irgendwo in der Ferne jemand mit!
«Alex?», höre ich jetzt meinen Kumpel krächzen. «Kannst du mich hören?»
«Ja, dich und zwanzig Besoffene. Ich denke, du bist in einer Klinik?» Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, er sei in einer Kneipe.
«Bin ich ja auch!», kräht Flo entrüstet. Der Chor der Besoffenen wird jetzt leiser. Offenbar hat mein Kumpel von den nackten Friseusen Abstand genommen. «Ich bin in der … Krankenhauskantine. Hier wird gerade
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