Dicke Hose (German Edition)
City-Apartment. Bestimmt ein Geschenk ihres schwer schuftenden Ehemanns, damit sie nach dem Einkaufsbummel ihre geschwollenen Beine etwas ausruhen kann. Ach nein, sie shoppt ja lieber telefonisch. Oder online. Was sonst sollen die Zettel auf ihrem Schreibtisch, bestimmt alles Rechnungen. Der arme Mann.
«Setzen Sie sich doch, Herr … Entschuldigung, wie war noch Ihr Name?»
«Held.»
«Ach ja.» Sie lässt den Kleidersack achtlos auf einen Sessel plumpsen. Mich drückt sie auf einen zweiten. «Ich hole uns erst einmal etwas zu trinken. Mögen Sie Whisky?»
Ohne meine Antwort abzuwarten, verschwindet sie im Nebenraum. Es klappert ein bisschen, Schränke werden geöffnet und wieder geschlossen, und kurz darauf klingt etwas nach Kühlschranktür.
«Ich bin sehr gespannt, was Frau Wendt mir für heute Abend herausgesucht hat», ruft Carmen Grünewald aus der Küche. «Ich bin auf eine sehr wichtige Gala eingeladen, aber das wissen Sie ja sicher.»
«Ich hörte davon», rufe ich zurück und denke im Stillen: Angeberin! Was wird sie schon Wichtiges vorhaben? Jahreshauptversammlung in Gilas Nagelstudio? Irgendeine Charity-Veranstaltung an der Seite ihres Mannes?
«Ich selbst habe nicht genug Zeit, mich mit aktuellen Modetrends zu befassen. Nur ab und zu, in der Bahn oder im Flugzeug, erwische ich mal eine Modezeitschrift. So wie vorgestern, als ich aus München zurückkam. Da las ich in der Madame , dass Cavalli jetzt in sein soll.»
«Ja, wenn die Madame das sagt …»
«Genau, das dachte ich mir auch. Und bei Miucci wurde mir diese Aussage dann ja bestätigt. Frau Wendt wollte mir deshalb für heute Abend zwei Cavalli-Kleider heraussuchen.»
«Mmh.» Ich unterdrücke ein Gähnen. Hoffentlich dauert das hier nicht mehr allzu lange. Ich muss doch gleich zur Wohnungsbesichtigung.
«Sehen Sie sich ruhig um», sagt die Königin der Glasvitrinen, als sie mit einem überladenen Tablett um die Ecke biegt. «Meine Wohnung ist nicht besonders groß, aber mir macht das nichts aus. Ich bin ohnehin selten zu Hause. Und wenn, benutze ich eigentlich nur den Schreibtisch.» Sie gibt ein kurzes Gackern von sich. «Ich habe schon überlegt, ob ich die Küche zum Arbeitszimmer umbauen lasse. Zum Kochen fehlt mir sowieso die Zeit, folglich nutze ich eigentlich nur den Kühlschrank.»
Ehrlich gesagt weiß ich, warum es ihr hier an Platz mangelt. Wer viermal im Jahr bei Miucci die Kreditkarte zum Glühen bringt, muss ja auch irgendwohin mit den Plünnen. Vermutlich ist ihr Schlafzimmer eine einzige Kleiderkammer.
Mit Schwung platziert Carmen Grünewald jetzt das Tablett mit einem weiteren Kristallensemble auf dem Couchtisch. Zwei dickbäuchige Gläser, eine opulente Karaffe und ein silberumrandeter Behälter mit Eiswürfeln klirren gegeneinander.
«Hach, was für ein wunderbares Geräusch», gerät sie sogleich ins Schwärmen. «Sie müssen wissen, ich mache nämlich in Bleikristall.» Mit einer Zange greift sie ein paar Eiswürfel und deutet nebenbei mit dem abgespreizten kleinen Finger in Richtung Karaffe. «Ich habe die Firma vor Jahren nach dem Tod meiner Eltern übernommen. Grünewald-Kristall, haben Sie sicher schon gehört.»
«Äh … ja. Habe ich.» Tatsächlich schwört meine Mutter auf Gläser dieser Marke. Unmöglich, dass die Grünewald allein hinter dieser Dynastie steckt. Sicher bedient sie nur das Telefon. Die Arbeit erledigt vermutlich ihr Mann.
Sie seufzt. «Manchmal wünschte ich wirklich, ich stünde nicht immer allein vor dem Ganzen. Alles muss man selbst entscheiden, und wenn es schnell gehen soll, auch selbst erledigen. Aber man wächst ja mit seinen Aufgaben. Und bis ich einem Mann so weit vertraue, dass ich ihm Einblick in meine Firma gebe, muss viel passieren. Die meisten, die ich bislang kennengelernt habe, sind faul und sonnen sich in meinem Erfolg.»
«Verstehe», sage ich, kann aber nicht so recht glauben, was ich da gerade gehört habe. Dies alles hat sie selbst geschaffen?
«Auf Events werde ich leider Gottes oft fotografiert. Dabei mache ich mir daraus eigentlich gar nichts. Aber ein schickes Outfit im neuesten Trend ist somit leider zwingend.» Jetzt grinst sie. «Die Tasche dazu habe ich ja bereits.»
«Ja, ich erinnere mich.»
Hochzufrieden erhebt Carmen Grünewald ihr Glas. «Trinken Sie! Das ist Midleton Whiskey. 25 Jahre im Bourbonfass gereift. Der wird Ihnen guttun. Sie wirken immer so … verkrampft.»
BITTE?
«Ja, wissen Sie, Herr Held, das ist mir bei Ihnen sofort
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