Dicke Moepse
dir!«, redet Jens weiter.
»Das klingt ja klasse, erzähl!« Gerade lackiere ich den kleinen Zeh rechts, was sich besonders schwierig gestaltet, weil der Zehennagel extrem klein geraten ist. Ich will mich diesbezüglich nicht beschweren, schließlich gibt es Menschen, die haben an der Stelle fast gar keinen Nagel.
»Nun, er ist Anwalt und hat eine eigene Kanzlei. Er ist aber schon etwas älter. 46 – dafür aber geschieden, also vollkommen solo. Und er freut sich, dich heute Abend kennenzulernen.«
»Heute? Das geht nicht!« Vor lauter Schreck vermale ich mich, und der rote Lack irrt etwas verloren auf meinem Fußrücken herum.
»Wieso denn nicht? Ausreden zählen nicht. Außerdem fährt Marion morgen für zwei Monate auf Geschäftsreise, wer weiß, wen er da so alles trifft!«
»Ein Grund mehr, ihn nicht zu daten!«, entgegne ich trotzig und versuche, mit einem Taschentuch die Lackspuren vom Fuß zu entfernen.
»So war das nicht gemeint, der Typ ist echt super. Wirklich richtig nett, obwohl er Anwalt ist«, lacht Jens. »Carla hat mich auf die Idee gebracht. Wir haben ihn beim Lunch getroffen, da saß er am Nebentisch. Er sieht ziemlich gut aus.«
»Jens, ich kann nicht, denn ich habe heute bereits eine Verabredung! Zum Essen, was bedeutet, dass der ganze Abend verplant ist!«, sage ich entschlossen.
»Rosi, wirklich, du solltest dir die Chance nicht entgehen lassen. Du wirst es sonst bereuen. Dann triff dich doch einfach um elf Uhr auf einen Drink mit ihm. Was hältst du davon?« Jens ist schon total begeistert von seiner Idee mit dem Doppeldate.
»Ist das nicht ein bisschen fies, zwei Typen an einem Abend zu treffen?«, frage ich unsicher, während ich nun meinen anderen Fuß mit Lack bepinsle. Ich muss urplötzlich an Erika denken. Ob ich dieselben Klamotten anziehen kann, oder sollte ich was zum Wechseln mitnehmen? Das könnte Harald aber auch falsch verstehen. Auf was für Outfits stehen Anwälte überhaupt? Sicher nicht auf Jeans.
Es kostet Jens noch ein paar Minuten Überredung, dann bin ich davon überzeugt, dass es heutzutage als verzweifelte Langzeit-Singlefrau völlig legitim ist, sich mit zwei Männern zu verabreden, wenn sie denn mal zur Verfügung stehen.
Nun sitze ich hier schon seit geschlagenen 20 Minuten allein am Tisch und bohre Löcher ins Kerzenwachs. Von meiner ersten Chance noch keine Spur. Da soll nochmal einer sagen, nur die Bahn käme immer zu spät. Fluggesellschaften offenbar genauso oft, insbesondere deren Piloten.
»Kann ich Ihnen nicht doch etwas zu trinken bringen?«, fragt mich die Kellnerin nun schon zum dritten Mal. Sie mustert mich mit einem Blick, als verstünde sie, dass mein Date mich versetzt. Verzweifelt wähle ich Mels Nummer. Besetzt. Wahrscheinlich telefoniert sie mal wieder mit ihrem Piloten, weil der jetzt doch wieder bei seiner Frau hockt und nicht wegdarf. Warum erniedrigen wir Frauen uns eigentlich immer? Wir sagen zu allem ja und amen, akzeptieren es sogar, wenn er uns die Tür vor der Nase zuschlägt, tolerieren seine Flirtereien, verzeihen ihm, wenn er fremdgeht, verzichten auf den Unterhalt, damit das gemeinsame Kind auch ja nicht merkt, was Papi doch für ein Rindviech ist … nur um nicht am Samstagabend allein im Restaurant sitzen und auf die eigenen frisch lackierten Fußnägel starren zu müssen. Leider starrt mich auch die Hälfte des Lokals an, genau wie die Kellnerin. Kein normaler Mensch geht an einem Samstagabend allein in ein romantisches Lokal, es sei denn, er möchte sich nach einer halben Stunde auf der schäbigen Toilette erhängen. Die Situation ist einfach zu blöde. Mittlerweile habe ich den ganzen Brotkorb leergefuttert, bei meinem Glück bekomme ich pünktlich zu meinem zweiten kläglichen Versuch, wieder Teil der schillernden Pärchenwelt zu werden, schreckliche Blähungen und blase ihn in die Flucht, bevor er auch nur einen Hauch Gefallen an mir finden kann.
Endlich, ein Freizeichen. »Mel! Was telefonierst du denn so lange?«, sage ich genervt ins Mikrophon.
»Rosi!«, ruft Mel begeistert, als habe sie mich seit Jahren aus den Augen verloren und nun endlich wiedergefunden.
»Was ist denn los?«, plappert sie weiter. »Ich hatte gerade Harald in der Leitung. Er wartet seit einer halben Stunde auf dich!«
»Sehr witzig, ich auch!«, zische ich vorwurfsvoll. »Wo soll er denn sitzen? Hier um mich herum sitzen nur Pärchen, und ich fühle mich so richtig großartig!«
»Das Gleiche hat mir Harald auch erzählt. Er ist
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