Dicke Moepse
hingehen.« Er schaut mich prüfend an. Ich kenne diesen Blick. Er bedeutet, dass jeder Widerstand zwecklos ist.
»Du meinst, DER Bruno Wollstein, in den ich jahrelang unsterblich verliebt war und den anzusprechen ich mich nie getraut habe? Warum sollte der mich überhaupt bemerken, wo er mich doch schon früher nicht mal mit dem Hinterteil angesehen hat?«
»Rosi, egal, wie schüchtern du einmal warst …«
»Und immer noch bin!«
»Gut, egal wie schüchtern du immer noch bist, du siehst prima aus, hast einen tollen Job …«
»… der mich vorzeitig ergrauen lässt …«
»O. k., aber die grauen Haare stehen dir gut!«
»Bestimmt ist Bruno längst verheiratet und hat fünf Kinder von sechs verschiedenen Frauen.«
»Du bist ein Riesenschuss, Rosi! Wenn du dir Mühe gibst, kannst du richtig hinreißend sein!«, sagt Jens, offenbar ohne nachzudenken.
»Schönen Dank auch, und wenn ich mir keine Mühe gebe?«, grummele ich prompt beleidigt.
»Na ja, manchmal wirkst du vielleicht etwas burschikos.« Jens bewegt sich strategisch in Richtung Hausflur, um seine Flucht vorzubereiten. »Mädels, ich muss los, hab heute noch den späten Termin mit einem Kunden. Ihr kommt ja auch ohne mich zurecht!«, ruft er munter.
»Klar, mein Schatz, alles bestens.« Carla küsste Jens innig. Bei solchen Gelegenheiten werde ich grundsätzlich verlegen, es ist immer merkwürdig, so nah am körperlichen Geschehen zu sein. Bin ich eigentlich verklemmt, weil es mich stört, wenn zwei Menschen so dicht neben mir Körperflüssigkeiten austauschen? Ich habe einmal vor Jahren mit meinem damaligen Freund eine Live-Sex-Show in Amsterdam besucht. Wir hatten uns prickelnde Erotik erhofft. Bekommen haben wir eine äußerst skurrile Darbietung akrobatischer Vögelei von durchweg unästhetischen Menschen. Eigentlich hätten wir das Geld zurückverlangen sollen, aber das war uns dann doch zu peinlich. Interessanterweise war es uns viel peinlicher als denjenigen, die sich eigentlich dafür schämen müssten. Wir wollten schließlich einfach nur gute Unterhaltung.
Auch Carla und ich greifen nach unseren Jacken. Wir haben den Besuch im Schönheitssalon schon länger geplant. Bisher ist das Thema allerdings immer an meiner Schmerzempfindlichkeit gescheitert. Und ich lasse schließlich nicht jede Wildfremde an meine Zonen unterhalb der Gürtellinie.
Körperhaare wurden bei mir bisher mit dem Einwegrasierer entfernt. Zugegebenermaßen nicht besonders regelmäßig – bei mir sieht das ja sowieso keiner –, aber immer dann, wenn es unabdingbar war. Carla muss sich dagegen neuerdings ständig mit dem Thema herumschlagen. Vielleicht hat sie mir deshalb diesen Gutschein für den gemeinsamen Besuch im Beautycenter überreicht. Jeder ist käuflich, das weiß meine Lieblingspolizistin natürlich ganz genau.
»Kind, es wird Zeit, dass du dich optisch von den Braunbären an deinem Arbeitsplatz unterscheidest.« Das sitzt. Zumal ich eigentlich ein großer Körperpflege-Fan bin. Allerdings habe ich noch nie einen Schönheitssalon, geschweige denn ein Wachsstudio von innen gesehen.
Das wollen wir an diesem Nachmittag ändern und uns einer Heißwachsbehandlung unterziehen.
»Ist es nicht wahnsinnig peinlich, sich vor jemandem untenrum frei zu machen, den man kaum kennt? Selbst bevor ich zum Gynäkologen gehe, mache ich doch immer extra klar Schiff.« Ich fuchtle vor meinem Schoß herum, um zu betonen, dass ich für jede Ausrede offen wäre, das Thema erneut zu umgehen.
»Die fangen mit den Beinen an, da hat man noch ausreichend Zeit, Vertrauen aufzubauen«, sagte Carla ganz cool und gibt sich den Anschein, als wäre sie auf dem Gebiet bereits ein alter Hase. Südländer scheinen wohl unterhalb der Gürtellinie doch unempfindlicher zu sein, was die etwas derberen Behandlungen angeht.
»Angeblich hat man danach wohl auch mehr Spaß beim Sex«, schwärmt sie.
»Schön für euch, und mit wem soll ich dann meine neue Sinnlichkeit teilen?« Ich bin wirklich tierisch nervös vor diesem Termin. Immerhin lenkt mich das ein bisschen von der Aufregung vor dem Bruno-Abend ab.
»In der Bikinizone wird es anfangs ein bisschen weh tun. Dafür haben Sie dann die nächsten vier Wochen Ruhe!« Da ist sie wieder, die Formulierung, die das Wort »weh tun« so wunderbar unauffällig wirken lässt. Die Kosmetikerin Frau Asebahn sieht genauso aus, wie man sich eine Kosmetikerin vorstellt. Zierlich, brünett mit hellblonden Strähnchen und dem klitzekleinen Hauch zu
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