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Dickner, Nicolas

Dickner, Nicolas

Titel: Dickner, Nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolski
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Abfall und ein täglicher Ausstoß von 2600 Tonnen Methangas. 1990 hat William Rathje beschlossen, Bohrungen in Fresh Kills zu machen. Er lieh sich die nötigen Geräte und machte Bohrproben im Müll. Schon hundert Fuß unter der Oberfläche vergeht die Zeit langsamer. Kein Sauerstoff, keine Bakterien, kein biologischer Zerfall. Sein Team hat einen Kopfsalat aus dem Jahr 1984 in tadellos erhaltenem Zustand ausgegraben, der aussah, als wäre er nur ein paar Tage zuvor auf den Müll gewandert.“
    Noah schickt ihm den Scotch wieder zurück. Tom Saint-Laurent, der sich in keiner Weise von ihrem ethylbeladenen Ping-Pong ablenken lässt, fährt fort.
    „Um bis zu diesem Kopfsalat zurück in die Vergangenheit zu reisen, brauchte es eine Ausgrabegenehmigung, einen Tiefbohrer, Bohrfachleute, mehrere Fahrzeuge für die Logistik und Assistenten, die die Artefakte sortieren. Für das Kulturministerium handelt es sich um einen Kopfsalat, der unmöglich zu rentabilisieren ist. Ein Blattgemüse mit schwachem politischem Potential.
    Er macht eine Pause und begutachtet mit inquisitorischem Blick den Flaschenboden.
    „Leer“, murmelt er.
    Er streckt den Arm in Richtung einer Kiste, aus der er eine brandneue Flasche Cutty Sark hervorholt. Er macht sich daran, den Flachmann wieder aufzufüllen, aber die vielen Schlucke haben seine Hand unsicher werden lassen. Er zieht die Augenbrauen zusammen.
    „Ich weiß, dass wir aussehen wie ein Haufen Hampelmänner mit unseren Plastikbeuteln voller Erde. In Wirklichkeit sind wir unserer Zeit aber weit voraus. Die Archäologie ist die Disziplin der Zukunft. Jedes Mal, wenn ein alter IBM auf der Kippe landet, wird er ein Artefakt. Das ist es, was unsere Zivilisation am meisten hervorbringt: Artefakte. Wenn einmal alle Informatiker arbeitslos sein werden, haben wir noch Arbeit für Millionen von Jahren. Das ist das Gründungsparadox der Archäologie: Unsere Disziplin wird ihre Blütezeit erst am Ende der Welt erreichen.
    Thomas Saint-Laurent hat das Umschütten auf wundersame Weise beendet, ohne auch nur einen einzigen Tropfen des wertvollen Scotch zu verschütten. Er schließt die Flasche wieder, stellt sie an ihren Platz zurück und hebt den Flachmann in Noahs Richtung.
    „Bis dahin wollen wir mal lieber abwarten und Tee trinken.“

Pigmentierung
    Von allen Fischen, die Joyce bei Shanahan unterkommen – vom zwergenhaften Kapelan über die Streifenmakrele und den Blaupunktrochen bis hin zum kaiserlichen Roten Thunfisch – gibt es keinen, der ihr so gefällt wie die Scholle.
    Diese wenig glorreiche Pleuronectes, weder furchterregend noch athletisch, beherrscht die Mimikry in höchster Perfektion. Ihre flachen Konturen und eine komplexe Pigmentierung der Oberhaut gestatten es ihr, ganz und gar mit dem Meeresgrund zu verschmelzen. Verharrt sie still, verschwindet sie, bewegt sie sich, gleicht sie einfach einer Wolke Sand, die die Strömung vor sich herschiebt. Wenn sie jung ist, hat die Scholle auf jeder Seite des Kopfes ein Auge. Wird sie dann größer, wandert ihr linkes Auge gen Norden und steigt hinauf zum rechten. Von diesem Zeitpunkt an ist sie auf der schlammigen Seite ihres Daseins blind und schaut nur noch nach oben, als habe sie die Gewissheit, dass es dort eine Oberfläche gibt und darüber eine andere Welt, den Himmel und Wolken und Sterne.
    Joyce ist gerade in den Anblick einer Scholle vertieft, als zwei Beamte der Nationalpolizei in das Fischgeschäft geplatzt kommen.
    Als Joyce die beiden Haie sieht, fühlt sie ihren Puls schneller werden. Der Stattlichere von den beiden nimmt seine Sonnenbrille ab und schaut sich um, als würde ihm der Laden gehören.
    „Ihr habt noch offen?“
    „Ich wollte gerade schließen“, antwortet Joyce mit dem Lächeln einer Musterschülerin. „Was darf’s denn sein?“
    „Habt ihr Forelle?“
    „Die Filets sind heute im Angebot.“
    „Dann nehme ich drei.“
    Joyce wickelt die Filets ein, wiegt das Paket, kritzelt den Preis auf das Etikett. Der Polizist zahlt, setzt die Sonnenbrille wieder auf und geht. Sein Kollege folgt ihm stumm wie ein Pilotfisch.
    Im Schaufenster stehend beobachtet sie, wie die beiden in ein Auto steigen, das mitten in der Landungszone geparkt ist. Sie deutet ein schmales Lächeln an. Nur das leichte Beben ihrer Unterlippe verrät die ganze innere Anspannung.
    Sie schaltet das Licht aus, räumt den Fisch weg und spült die Verkaufstheke mit reichlich Wasser ab. Noch kurz gewischt und das Fischgeschäft ist bereit für den

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