Die 10. Symphonie
und grüßte Daniel den noch so, als ob sie ihn h ätte eintreten sehen. »Ich bin gleich fertig, muss nur noch eben eine E-Mail schreiben.« Daniel ließ den Blick schweifen und entdeckte, halb verborgen zwischen zwei Geranientöpfen, ein Metallkästchen mit Antenne. Es sah aus wie ein Prozessor oder ein Router. »Ist das eine Festplatte?«
»Nein, ein Störsender zum Schutz gegen Bomben. Ich habe mit einem Ermittlungsverfahren um einen sehr gefährlichen Drogenboss zu tun, und das ist die einzige Möglichkeit, sicherzugehen, dass mich beim Offnen meines Briefkastens kein ungebetenes Geschenk empfängt.« »Und warum steht er hier, zwischen den Blumentöpfen?« »Weil es ein hässliches Gerät ist, das ich nicht im Haus haben will. Ich weiß, ihr Männer findet Elektronik schön, aber ich nicht. Hier muss ich das Teil wenigstens nicht sehen.«
Mit ihrem verunsichernden L ächeln wandte sich die Richterin Daniel zu.
»Du brauchst nicht hier zu warten. Geh hinein und bedien dich. Wenn du kein Eis findest, frag Felipe. Er macht sich gerade einen Gin Tonic.«
Wie die Richterin gesagt hatte, traf Daniel den Gerichtsmediziner in der K üche an und wurde freundlich von ihm begrüßt. Sie wechselten ein paar belanglose Worte, dann erschien die Richterin und hieß ihn offiziell in ihrem Haus willkommen - mit einem breiten Lächeln und ein paar herzhaften Küssen.
»Wo wollen wir reden?«, fragte Daniel, dem die Neuigkeiten auf der Seele brannten.
»Gleich hier«, antwortete die Richterin. »Aber bitte entschuldige mich noch einen Augenblick - ich geh schnell hinauf und schließe die Dachbodenfenster. Ich fürchte, es wird wieder Sturm geben, und neulich ist der Dachboden schon einmal mit Wasser vollgelaufen. Wenn du magst, kannst du mitkommen, dann zeige ich dir ein wenig das Haus. Was ich an diesen Villen liebe, ist der kleine, geschlossene Innenhof. Siehst du? « Sie trat an ein Fenster. »Hier kommt sehr viel Licht herein. Mit meinem habe ich besonderes Glück: Auf der einen Seite ist nur der Park, und in dem Nachbarhaus auf der anderen Seite wohnt seit mindestens zwei Jahren niemand mehr.« »Das Haus steht schon seit einer Ewigkeit zum Verkauf«, sagte der Gerichtsmediziner. »Aber bei dem Vermögen, das sie dafür verlangen, finden sie keinen Käufer.« »Ich würde es selbst gerne kaufen und mit meinem verbinden. Aber mit den 3000 Euro im Monat, die ein Richter verdient, habe ich schon genug Mühe, die Hypothek für dieses hier abzuzahlen. Ich beschwere mich nicht, versteh mich nicht falsch - aber im Vergleich zu dem, was ein guter Jurist auf dem freien Markt verdienen kann, ist mein Gehalt ein Witz.«
»Stellen Sie sich vor, Daniel«, erklärte Pontones, »Sie wären nicht nur schlecht bezahlt, sondern müssten auch noch wie Susana überall - im Cafe, in der Bar, im Büro - hören, dass ihr Musikwissenschaftler den ganzen Tag auf der faulen Haut liegt oder alle eine Macke habt, oder gar, dass ihr Faschisten seid.«
»So schlimm wird es doch nicht sein«, meinte Daniel skeptisch.
»Dann lesen Sie mal die Umfragen, die jedes Jahr in den Zeitungen veröffentlicht werden«, gab Pontones zurück. »Unter den öffentlichen Institutionen kommen die Gerichte immer am schlechtesten weg - schlechter als die Ombudsleute oder sogar das Militär.«
»Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen«, sagte die Richterin.
Sie hatten bereits den ersten Stock erreicht, und Dona Susana blieb kurz stehen. »Unten sind eine Sauna - die ich allerdings fast nie benutze -, der Heizungsraum und die Garage. Hier haben wir, wie du siehst, nur zwei Schlafzimmer: meins und das Gästezimmer, das Felipe benutzt, wenn er über Nacht hierbleibt. Schlafen, also richtig schlafen, kann ich nämlich nur alleine.«
»Hm, ich kann es mir vorstellen«, sagte Daniel. Langsam fühlte er sich wie ein Kaufinteressent, der die Villa noch einmal begutachtet, bevor er die Anzahlung leistet. Nebenbei war ihm natürlich nicht entgangen, dass die Richterin ihm nicht nur ihr Haus zeigte, sondern ihm auch zu verstehen gab, dass sie und der Gerichtsmediziner ein Liebespaar waren. Doch er ließ sich nichts anmerken und schwieg dazu.
»Hier geht es zum Dachgeschoss«, sagte Pontones und öffnete eine Luke, aus der sich eine Treppe aufklappte. Zuerst kletterte er selbst hinauf, dann half er Dona Susana, indem er ihr die Hand reichte. Als Letzter folgte Daniel. Oben schlug ihm tatsächlich noch die Feuchtigkeit des letzten Unwetters
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