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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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einem Zopfgummi zusammen und ging in die Küche, von wo aus sie Daniel zurief: »Das spanische Fernsehen ist unglaublich! Jemand ist gestorben, und die reden darüber, als wäre es eine Jahrmarktsattraktion.«
    Sie öffnete die Kühlschranktür und ereiferte sich weiter: »In diesem Kühlschrank ist kein Obst, kein Joghurt, gar nichts!«
    »Ich wollte heute Morgen etwas einkaufen, aber durch den Anruf von Durán hatte ich keine Zeit dazu«, log Daniel, der seit zwei Monaten keinen Supermarkt mehr betreten hatte. »Hast du Lust, essen zu gehen?« »Ja, okay, später«, antwortete Alicia und kam zurück ins Schlafzimmer. Sie war in Unterwäsche, und Daniel bewunderte wieder einmal ihren Körper. »Schalt um, ich will diesen Mist nicht sehen. Gibt es denn keine richtige Nachrichtensendung?«, zeterte sie. Sie war in diesen Tagen dauerhaft gereizt; die ständige Frage Kind oder nicht Kind zerrte an ihren Nerven, und Daniel bestand weiterhin hartnäckig darauf, Vater werden zu wollen.
    »Ich dachte, du wärst ganz gierig auf diesen Müll.« »Dachte ich auch. Aber jetzt hängt es mir schon wieder zum Hals heraus.« Daniel nahm die Fernbedienung und zappte durch die Kan äle. Nach ein paar Sekunden hatte er ein seriöses Magazin gefunden. Der Sprecher sagte: »Die Musikwelt ist immer noch erschüttert über den brutalen Mord, der gestern Nacht in Madrid an dem Musikwissenschaftler und Dirigenten Ronald Thomas verübt wurde. Die Polizei geht davon aus, dass sie den Kopf des Opfers innerhalb weniger Stunden in der Umgebung des Leichenfundorts bergen wird.«
    »Warum nur hat man ihn wohl umgebracht?«, fragte sich Alicia, die unter Daniels rechtem Arm Zuflucht gesucht hatte.
    »Ich weiß es nicht. Aber etwas an dem Konzert gestern Abend war sehr merkwürdig.« »Was meinst du?«
    »Die Musik, die ich da gehört habe, hatte ja theoretisch Thomas komponiert, und Beethoven nur die Themen. Doch sie war so erhaben, dass ich mich frage, ob ...« Alicia setzte sich auf und sah ihn an. »Sprich es aus. Was wolltest du sagen?«
    »Ich frage mich, ob diese Musik nicht in Wirklichkeit vollständig von Beethoven war.« »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.« »Thomas wurde umgebracht. Und da das Motiv nicht bekannt ist, versuche ich, mir eins auszudenken. Wäre es nicht möglich, dass Thomas das Manuskript der Zehnten, oder zumindest den ganzen ersten Satz, entdeckt hat und dass der Mörder ihn tötete, um es ihm zu stehlen? Weißt du, welch ein Vermögen so ein Manuskript wert sein kann?«
    »Nein, aber ich kann es mir vorstellen. Dann war das Stück gar keine Rekonstruktion und das Konzert gestern Abend nur eine Farce?«
    »Das ist zumindest möglich. Thomas hatte den ersten Satz vielleicht bereits in seinem Besitz und präsentierte ihn als sein eigenes Werk, wahrscheinlich aus Eitelkeit. Wenn ich daran denke, dass ich beinahe mit ihm über die Symphonie gesprochen hätte ... und dann ist er mir im letzten Moment entwischt!«
    »Und weshalb hat man ihm wohl den Kopf abgeschlagen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht, um den Raub der Partitur zu verschleiern und alles als die Tat eines Psychopathen erscheinen zu lassen? Du darfst nicht vergessen, dass man den Kopf nicht nur abgetrennt hat, sondern dass er auch verschwunden ist. Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, dass der Mörder die Polizei auf eine falsche Fährte lenken will. Der Mörder will, dass man ihn für geistesgestört hält, dabei ist er in Wahrheit von machiavellistischer Durchtriebenheit, vollkommen klar im Kopf, und plant eiskalt jeden Schritt, angetrieben von seiner Gewinnsucht. Würdest du nicht auch für dreißig Millionen Euro töten?«
    Alicia sah ihn an. Es fehlte nur noch, dass in ihren Augen wie im Comic Dollarzeichen blinkten. »Schon für weitaus weniger«, grinste sie. »Das ist wahrscheinlich kein satanistisches Verbrechen oder so was, das Motiv ist sicher Geldgier. Der Mörder weiß, dass Thomas ein sehr wertvolles Manuskript besitzt, und da dieser ihm nicht verrät, wo es ist, bringt er ihn um.«
    »Das ist unlogisch. Wenn er ihn tötet, kann er überhaupt nicht mehr damit rechnen, je herauszufinden, wo es ist. Wenn wir wirklich den Mord mit der Zehnten in Verbindung bringen wollen, ist das Gegenteil wahrscheinlicher.
    Der M örder bekommt aus Thomas heraus, wo sich die Zehnte befindet, und damit der es niemand anderem verraten oder zur Polizei gehen und sagen kann, er werde erpresst, legt er ihn um.« Daniel schüttelte nachdenklich den Kopf. »Jetzt

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