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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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beiden Hunde antworteten hechelnd auf eine empörte Frauenstimme, die immer wieder rief. »Hallo? Hallo? Ist da jemand?« Alarmiert durch das Bellkonzert seiner Tiere, kam Durán in Windeseile aus der Dusche, hob das Telefon, das voller Hundespeichel war, vom Boden auf und meldete sich eine Sekunde, bevor der andere auflegte.
    Die Frau beruhigte sich endlich und fragte im Tonfall einer Rezeptionistin: »Sind Sie Don Jacobo Durán?« »Ich bin nicht sicher, ob der Herr im Haus ist. Wer möchte ihn sprechen?«
    Durán hatte genug vom Telemarketing, mit dem er in letzter Zeit ständig belästigt wurde. Wenn er nicht wusste, wer der Anrufer war, gab er sich als sein eigener Bediensteter aus.
    »Don Jesus Marañón ist am Apparat.« »Señor«, sagte Durán mit der Stimme seines fiktiven Be diensteten. »Ein Anruf für Sie auf Leitung zwei. Don Jesus Marañón.«
    »Stell ihn sofort durch, Sebastian«, antwortete Durán sich selbst mit seiner echten Stimme.
    Nach ein paar Sekunden h örte er die leutselige, joviale Stimme Marañóns.
    »Jacobo, entschuldige, wenn ich dir auf den Wecker falle.« »Unsinn, Jesus, das tust du nicht.«
    »Ich rufe dich an wegen der Ermittlungen im Fall Thomas. Eine Freundin von mir, Susana Rodriguez Lanchas, leitet sie. Habe ich sie dir schon mal vorgestellt?« »Nein, aber ich weiß trotzdem, um wen es sich handelt. Leitet sie nicht auch das Ermittlungsverfahren gegen diesen galizischen Drogenbaron?«
    »Genau. Sie wird in letzter Zeit häufiger in der Presse zitiert. Ich kenne sie, weil sie mit dem Neffen meiner Frau befreundet ist. Neulich rief sie mich an, und ... das ist vertraulich, Jacobo, bei allem, was dir heilig ist, ja?« »Meine Lippen sind versiegelt.«
    »In den letzten Stunden ist bei den Ermittlungen etwas aufgetreten, das die Richterin mit einem Experten besprechen möchte.«
    »Mit einem Experten? Was für einem?« Als Marañón Durán erklärte, worum genau es ging, gab ihm dieser, ohne zu zögern, die Handynummer von Daniel Paniagua.

15
    Das Amtsgericht Nr. 51, zust ändig für den Fall Thomas, setzte sich über das Sekretariat der verantwortlichen Richterin, Dona Susana Rodriguez, mit Daniel in Verbindung. Frau Richterin wünsche ein Gespräch mit ihm - wenn möglich, am nächsten Tag. Es handele sich jedoch um ein informelles Treffen, weswegen ihm kein Ladungsschreiben zugehen werde. Daniel könne die Bitte der Richterin sogar abschlagen, sofern er das wünsche. Der aber erklärte sich einverstanden und fragte, um was es ging. Die Sekretärin zögerte einen Moment, bevor sie antwortete: »Dona Susana zieht es vor, Ihnen das persönlich zu erklären.«
    Das Cafe, in dem sie verabredet waren, befand sich unweit des alten B ürogebäudes, in dem das Gericht seinen Sitz hatte. Die Sekretärin hatte Daniel gesagt, Dona Susana werde eine sperrige lederne Aktentasche dabeihaben und diese als Erkennungszeichen vor sich auf den Tisch legen. Er erblickte sie gleich, als er eintrat. Sie las Zeitung und trank Tee. Nachdem sie ihn begrüßt und ihm für sein Kommen gedankt hatte, fragte sie sofort: »Möchten Sie etwas trinken?« »Eine Cola mit viel Eis, bitte.«
    Die Juristin war Mitte f ünfzig. Sie trug einen blonden, geglätteten Bob, ihre Gesten waren außerordentlich elegant und ihr Benehmen sehr kultiviert. Sie wäre trotz ihres Alters eine sehr attraktive Erscheinung gewesen, h ätte sie nicht diesen starren Zug um den Mund gehabt, der ihr Lächeln unnatürlich erscheinen ließ. Daniel nahm an, dass er von einer Lähmung herrührte.
    Sie bestellte das Getr änk bei einem Kellner, den sie mit Namen ansprach, und erklärte: »Das Gericht ist ganz in der Nähe. Dies hier ist mein Stammcafe, hier frühstücke ich immer, wenn ich es zu Hause nicht geschafft habe.« Sie nahm einen Schluck Kamillentee mit Zitrone. Als sie anhob weiterzureden, unterbrach Daniel sie. »Sagt man Frau Richter oder Richterin?« »Sagt man Herr Staatsanwältin oder Staatsanwalt?«, parierte sie und lächelte mit der nicht gelähmten Seite ihres Mundes.
    »Dann nenne ich Sie also Frau Richterin.« »Wie Sie wollen, aber lassen Sie uns doch bitte zum Du übergehen. So alt bin ich noch nicht - und überhaupt werden wir wohl viel miteinander zu tun kriegen in nächster Zeit.«
    »Dann nenne ich dich Frau Richterin«, korrigierte Daniel sich. Doch er ahnte, wie schwer es ihm fallen würde, die Juristin nicht mit ihrem Titel anzusprechen. »Was die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Arbeitswelt

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