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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Neugier, wissenschaftliches Interesse und nicht zuletzt der Wille, die Wahrheit herauszufinden und der Justiz zu helfen. So sollte es zumindest sein. Das ist der Sinn dieser Inschrift. Man findet sie in vielen Autopsiesälen, und wie du merkst, kann das ein wenig davon ablenken, dass es hier immerzu erbärmlich stinkt.«
    »Können wir jetzt den Kopf sehen?«, fragte die Richterin ungeduldig und warf angeekelt einen flüchtigen Blick in den Saal, wo die Obduktion durchgeführt wurde. Gedämpfte Stimmen und die Geräusche von Sägen und elektrischen Skalpellen drangen daraus hervor. »Hier liegt er«, sagte der Gerichtsmediziner und deutete auf den Metalltisch in einem weiteren Obduktionssaal. »Er weist einige Quetschungen und sonstige Blessuren auf, aber wir haben ihn im Kühlraum gelagert - es gibt also sonst keinen Grund, sich zu fürchten.« Er ließ den Bund eines Gummihandschuhs ein paarmal gegen sein Handgelenk schnappen. »Haben Sie schon mal eine Leiche gesehen, Daniel?« »Ja, einmal, von weitem in einem Straßengraben. Ein Unfallopfer.«
    »Ich frage nur - kann ja sein, dass Sie sehr empfindlich sind. Nehmen Sie auf jeden Fall etwas hiervon.« Der Gerichtsmediziner holte aus der Tasche seines Jacketts ein rundes Döschen mit Erkältungssalbe und gab es Daniel. Der wusste nicht, was er damit anfangen sollte, und blickte hilflos zur Richterin. Dona Susana ließ sich das Döschen geben und schmierte etwas von der Salbe unter ihre Nasenl öcher. Daniel tat es ihr nach. Pontones steckte das Döschen schließlich wieder in die Tasche, ohne sich bedient zu haben. »Gewohnheitssache«, sagte er etwas großspurig. Sie betraten einen kleinen, cremefarben gestrichenen Raum. In der Mitte stand ein respekteinflößender Metalltisch, der viel Platz beanspruchte. Außerdem waren da noch ein großer Mülleimer, ausgeschlagen mit einer grünen Plastiktüte - »Zum Glück leer«, dachte Daniel -, eine Wanduhr, ein Schrank mit Glastüren, in dem alle möglichen Behälter waren, an der Wand eine Vitrine mit dem Instrumentarium und ein mit schwarzem Wachstuch bezogener Stuhl, auf dem eine Polaroidkamera lag. Der Obduktionstisch hatte an den Längsseiten Rillen, in denen die Körperflüssigkeiten ablaufen konnten. Mitten auf dem Tisch lag ein recht flaches Etwas, bedeckt mit einem kleinen Leichentuch, das der Gerichtsmediziner nun so lässig wegzog wie ein Kellner eine schmutzige Tischdecke. »Aber das ist nicht Thomas!«, rief Daniel perplex, als er den Kopf erblickte.
    »Dass es Thomas ist, steht außer Frage«, antwortete die Richterin. »Seine eigene Tochter hat ihn heute Nachmittag identifiziert. Der Schädel ist bloß glatt rasiert wie eine Billardkugel.«
    Vorne am Kopf, der schon eine gr ünbläuliche Farbe anzunehmen begann, waren zahlreiche Abschürfungen und Blutergüsse. Nur die Augen schienen noch unversehrt. Sie waren halb geöffnet und gaben dem Gesicht den Ausdruck eines Menschen im Betäubungsschlaf. Nase und Mund waren verschrammt und eingerissen. Laut Pontones das Werk von streunenden Hunden. Doch das Verblüffendste entdeckte Daniel am rasierten Hinterkopf: ein sorgfältig eint ätowiertes korrektes Notensystem mit ein paar deutlich lesbaren Noten.
    »Was soll das denn?«, fragte Daniel entsetzt. »Hat man ihn misshandelt?«
    »Das ist nicht das Werk des Mörders«, antwortete der Gerichtsmediziner. »Wir haben die Haut genauestens untersucht und können sicher sagen, dass die Tätowierung einige Monate alt ist.«
    »Wir nehmen an, dass es eine Art Code oder Geheimnachricht ist, die Thomas absichtlich unter seinem Haar verborgen hat«, sagte die Richterin. Sie wollte sich eine Zigarette anzünden, besann sich aber eines Besseren, als sie den strafenden Blick des Gerichtsmediziners bemerkte. »Eine Nachricht? Aber für wen denn?«, fragte Daniel, der sich hinuntergebeugt hatte, um die Noten besser lesen zu können.
    »Das haben wir noch nicht herausbekommen«, erwiderte die Richterin. »Aber wie du bemerkt hast, kennt sich Felipe im klassischen Altertum aus, und er sagt, dies sei ein seit der frühesten Antike genutztes Nachrichtensystem.« »Herodot von Halikarnassos erwähnt es in seinen Historien. Der berühmte griechische Tyrann Histiaios ließ seinem treuesten Sklaven eine Nachricht in den rasierten Kopf tätowieren, die einen Verbündeten dazu anstacheln sollte, sich gegen die Perser zu erheben. Bevor er seinen Boten losschickte, wartete er, bis dessen Haar wieder gewachsen war und den Text verbarg. Um

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