Die 10. Symphonie
Kleiderschranks.« »Oder er praktiziert Transzendentale Meditation. Ich habe gelesen, dass es in Tibet Mönche gibt, die sich den Kopf scheren, um Demut und Ergebenheit gegenüber ihren Göttern zu zeigen.«
»Was hast du über Delormes Geschäft herausgefunden?«, fragte Mateos, um das Gespräch über Glatzköpfigkeit zu beenden. Es machte ihn nervös, weil es ihn daran erinnerte, dass seine eigenen Geheimratsecken sich unaufhaltsam vergrößerten.
»Das Preis-Leistungs-Verhältnis der Tische, die dieser Typ baut«, antwortete Aguilar, »ist anscheinend so zufriedenstellend, dass seine Firma, Billards Delorme in Paris, Aufträge aus aller Welt bekommt. Darum wurden wir in einen Billardclub bestellt, Chef: Er hat dort einen Großauftrag abzuwickeln. Der Club Isidro Ribas ist mit zwölf Karambolage- und sechzehn Poolbillardtischen der bedeutendste in der ganzen Stadt. Ich habe mit einem der Besitzer gesprochen. Er sagte, sie hätten beschlossen, ihre alten Tische, von denen einige seit über zwanzig Jahren genutzt werden, durch neue Modelle von Delorme zu ersetzen. Wir werden unseren Mann also bei der Arbeit antreffen.« Als Mateos und Aguilar den Club betraten, standen sie in einem gigantischen, fast leeren Raum. Auf dem Teppich, mit dem er ausgelegt war, sah man deutlich die Abdrücke der schon abmontierten Tische. Sie entdeckten Delorme mit seiner polierten Glatze gleich. Er war ganz hinten mit zwei Arbeitern im Blaumann am Werk und verrichtete die letzten Handgriffe an den einzigen beiden Tischen, die sie seit dem Morgen aufgebaut hatten. Ein starker Geruch nach Teppichkleber verpestete den ganzen Raum, und Mateos bedauerte es, dass sie dem Treffen mit dem Franzosen an einem solchen Ort zugestimmt hatten. Doch nun gab es kein Zur ück mehr - Delorme hatte sie schon bemerkt und winkte sie zu sich. Da sein Chef die Dienstmarke bei der Begrüßung nicht vorgezeigt hatte, hielt Aguilar es für angebracht, wenn nicht geboten, seine eigene zu zeigen. Er tat es jedoch in dem Augenblick, als Delorme ihm die Hand zur Begrüßung reichen wollte. Der Subinspector nahm die Marke in die linke Hand, um den Gruß zu erwidern, doch da hatte Delorme seine Hand schon wieder zurückgezogen, und Aguilar stand mit ausgestrecktem Arm da. Um der peinlichen Situation zu entkommen, trat er die Flucht nach vorn an und übernahm das Kommando, wobei er sich Mateos' Floskel bediente: »Wir danken Ihnen vielmals für Ihre Bereitschaft, uns zu empfangen. Wir werden versuchen, Sie so wenig wie möglich zu belästigen.« Es wirkte nicht so, als habe Delorme ihn gehört, denn der hatte sich schon wieder zu einem der Arbeiter umgedreht und schimpfte wütend auf Französisch mit ihm. Offenbar prüfte der Mann ihm zu oberflächlich, ob die Tische plan waren. Den Arbeiter brachte die Zurechtweisung auf hundertachtzig: Er schleuderte die Wasserwaage, die er in der Hand hatte, auf den Spieltisch und lief hinaus auf die Straße. Dabei fluchte er so wild, dass Mateos den Dolmetscherservice seines Assistenten diesmal nicht benötigte. Delorme, der stark mitgenommen aussah, sagte entschuldigend: »Ich musste neues Personal anheuern, es gibt viel zu tun. Das war auch der Grund, weshalb ich Sie versetzen musste: Ich bin nach Paris gereist, um diese beiden neuen Monteure anzustellen. Bitte glauben Sie nicht, dass ich Ihnen ausweichen will. Wenn einer daran interessiert ist, dass Ronalds M örder gefasst wird, bin ich es - das können Sie sich ja denken.«
Delorme hatte zwar einen ausgepr ägten französischen Akzent, doch sein Spanisch war fehlerfrei. Seltsam bei einem Mann mit seiner Körperfülle war nur die hohe Stimme. »Einige Fragen, die wir Ihnen stellen müssen, sind sehr persönlich, Señor Delorme«, sagte Mateos. »Ich hoffe, Sie verstehen das.«
»Ich möchte die Polizei unterstützen, so gut ich kann. Also fragen Sie, was Sie wollen.«
»Weshalb tragen Sie eine Glatze?«, fragte Aguilar. Mateos war sprachlos. Er hatte nicht vorgehabt, das Thema überhaupt anzuschneiden, geschweige denn die Vernehmung auf diese Weise zu beginnen.
Doch der Franzose beantwortete die Frage, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ronald gefiel es. Wieso? Ist das wichtig für die Ermittlungen?«
»Sind Ihre Rasierutensilien dort, wo sie sein sollen, oder ist etwas verschwunden?«
Der Franzose begriff, worauf der Polizist abzielte, und antwortete wie aus der Pistole geschossen: »Nein, nichts.« Mateos warf seinem Assistenten einen unmissverständlichen Blick zu. Der
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