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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Anzeichen für die Existenz irgendeiner Sache, und deshalb ist alles sinnlich Wahrnehmbare, also mit den Sinnen Erfassbare damit gemeint, das irgendeine Verbindung zur Straftat aufweist. Das heißt ...« Noch bevor Pontones den Satz zu Ende bringen konnte, hatte der Inspector das Büro verlassen und die Tür hinter sich zugeworfen.
    »Er ist nicht nur unwissend, sondern auch noch unhöflich«, bemerkte der Gerichtsmediziner spitz. »Dieser Kerl sollte besser noch mal studieren - und dazu Benimmregeln pauken.«

33
    Bevor die Entdeckung des neuen Beethoven-Portr äts in der Presse veröffentlicht wurde, war Jesus Marañón schon von einem Bruder aus seiner Loge darüber informiert worden. Der Millionär brauchte das Bild nicht im Internet zu bestellen, sondern er flog mit seinem Privatjet nach München und konnte dank seines Geldes und seiner Kontakte die Ausstellung der Werke von Stieler noch vor der Eröffnung besuchen.
    Gebannt stand er nun in der Einsamkeit eines der G änge der Neuen Pinakothek vor dem Bild. Durch ein starkes Vergrößerungsglas zeigte es sich ihm bis ins kleinste Detail.
    Da die Verbindungen Beethovens zur Freimaurerei noch nicht gekl ärt waren, hoffte der Millionär, nun beweisen zu können, dass auch der größte Musiker des Abendlandes zur Bruderschaft gehört hatte. Deswegen untersuchte er das Porträt genauestens auf freimaurerische Symbole oder Bezüge. George Washington zum Beispiel, der über vierzig Jahre vor Beethoven geborene erste Präsident der Vereinigten Staaten, war manchmal mit einem Freimaurerschurz porträtiert worden, den ihm General Lafayette geschenkt hatte. Das Symbol des Schurzes ging auf die schlichten Arbeitsschürzen der mittelalterlichen Baumeister zurück. Von diesen Männern waren in jener fernen Vergangenheit die Kathedralen überall in Europa errichtet worden. Marañón versuchte, auf dem Bild den typisch freimaurerischen Fußboden mit den schwarzen und weißen Steinen im Schachbrettmuster zu finden - sie symbolisierten den Wechsel von Licht und Schatten, durch den jede Lehrzeit gekennzeichnet war -, doch er fand ihn nicht. Auch Zirkel und Winkelmaß oder das Allsehende Auge, die ebenfalls als charakteristische Symbole der Bruderschaft galten, waren darauf nicht zu entdecken. Das Porträt von Stieler war beinahe ausschließlich auf die Person des Maestro konzentriert. Wie Bach auf dem berühmten Gemälde von Elias Gottlob Haussmann aus dem Jahre 1746 hielt Beethoven in seiner Rechten eine kleine Notenskizze. Womöglich sollte sie das Werk darstellen, an dem er damals komponierte. Abgesehen von dem Komponisten, gab es noch ein einziges anderes deutlich sichtbares Objekt auf dem Bild, das aber ebenfalls nichts mit Freimaurerei zu tun hatte. Es war das Porträt eines alten Mannes und hing hinter dem Musiker an der Wand des Raums, in dem er posierte.
    Marañón fragte sich, weshalb dieses Gemälde ausgerechnet im Palast eines Bonaparte aufgetaucht war, der mit der Familie Thomas in Verbindung stand. Er beschloss, all seine Macht und Energie einzusetzen, um herauszufinden, ob das Erscheinen des rätselhaften Bildes etwas mit dem Manuskript von Beethovens zehnter Symphonie zu tun hatte.

34
    Zwei Stunden nachdem er das Gericht verlassen hatte, erhielt Inspector Mateos einen Anruf aus dem Palace Hotel. Der Portier teilte ihm mit, Olivier Delorme sei wieder in Madrid. Mateos lie ß sich umgehend mit ihm verbinden. Sehr höflich und mit unverkennbar französischem Akzent gab Delorme ihm eine Adresse, wo er sich den ganzen Morgen aufhalten und ihn gern empfangen werde.
    Auf dem Weg dorthin begann Subinspector Aguilar, dem es ernsthafte Schwierigkeiten bereitete, l änger als eine Minute am Stück den Mund zu halten, mit seinem Chef zu plaudern:
    »Delorme verdient sein Geld mit Billardtischen. Findest du es nicht auch bemerkenswert, dass ein Mann mit komplett rasiertem Schädel sein Geschäft mit Billard macht? Vielleicht soll das eine Art Werbegag sein?« Mateos grinste, und der Subinspector kombinierte weiter: »Ob es wohl einen Zusammenhang zwischen der Glatze von Thomas und der von Delorme gibt?« »Das glaube ich nicht. Als Selbstanklage wäre es etwas übertrieben, meinst du nicht? Wahrscheinlicher ist, dass Delorme sich aus modischen Gründen den Schädel rasiert hat oder weil ihm die Haare ausfallen - oder schlicht und einfach, weil er sein Leben verändern wollte. Es gibt ja Leute, f ür die hat eine solche Rasur dieselbe Bedeutung wie eine Rundumerneuerung ihres

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