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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wolfrum
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Beweis dieser Interpretation. Beck dehnte seinen Begriff später global aus und sprach von «Weltrisikogesellschaft». Seine Erklärungskraft ist nicht gering. Bereits die Kubakrise zwischen den USA und der UdSSR 1962 machte deutlich, dass die Menschheit am Abgrund stand und sich in einem Atomkrieg mehrfach vernichten konnte – und der 11. September 2001 zeigte die neue unberechenbare Gefahr des weltweiten Terrorismus. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand jene Konstellation der «Weltrisikogesellschaft» – dies betraf nicht allein die Zerstörungskraft von Krieg und Terror, sondern umfasste viele weitere Probleme, denen sich der Einzelne oft schutzlos gegenübersah, z.B. Umweltkatastrophen und Klimawandel, weltweite Bedrohung durch Massenarbeitslosigkeit, die Globalisierung, neue Krankheiten wie AIDS, Migrationen und Vertreibungen, Bevölkerungsrückgang in einigen Teilen der Welt, Bevölkerungsexplosion in anderen Teilen. Unterschwellige oder offene Angst geriet zum Lebensgefühl und Sicherheit verdrängte nicht selten die Werte von Freiheit und Gleichheit. Das Modell der «Erlebnisgesellschaft», das andere Soziologen vorschlugen, bezog sich auf die seit den 1980er Jahren immer extravagantere Freizeitgestaltung von Menschen mittleren Alters, die gut situiert in Großstädten wohnten und nicht zuletzt dem Einfluss der neuen Medien unterlagen. Doch über gesamtgesellschaftliche Prägekraft verfügt «Erlebnis» mitnichten. Nach wie vor bestehen große Unterschiede und Ungleichheiten in der deutschen Sozialhierarchie. Ein Freizeitpark für alle ist die Bundesrepublik ganz sicher nicht.

 
     
     
        «Die Mörder sind unter uns» – Die Deutschen und ihre jüngste Geschichte

61. Kann man NS-Verbrechen wiedergutmachen? Der Begriff «Wiedergutmachung» ist unglücklich gewählt. Nationalsozialistische Gewaltverbrechen lassen sich genauso wenig «wiedergutmachen» wie die Millionen von Toten wieder zum Leben erweckt werden können. Dennoch hat sich der Begriff eingebürgert. In die Wiedergutmachung für die Opfer des Nationalsozialismus ragte der Kalte Krieg machtvoll herein, weshalb sie vollständig erst nach dessen Ende und nach der deutschen Wiedervereinigung gelöst wurde. Im Londoner Schuldenabkommen vom Februar 1953 war festgelegt worden, dass die Ansprüche ausländischer NS-Verfolgter bis zu einem Friedensvertrag aufgeschoben würden. Allerdings nahm sich die Bundesrepublik im Zuge der Westintegration der «Westverfolgten» an und entschloss sich zu freiwilligen Leistungen: Zwischen 1959 und 1964 wurden mit elf Staaten im Westen, Norden und Süden Europas Abkommen geschlossen und insgesamt 876 Millionen D-Mark zur Wiedergutmachung bereitgestellt. Für den Osten und die «Ostverfolgten» gab es bis zum Jahr 2000 nichts Vergleichbares. Vielmehr war in das 1953 verabschiedete Bundesentschädigungsrecht eine «diplomatische Klausel» aufgenommen worden, die ausschloss, dass Entschädigungsgelder in Staaten flossen, mit denen die Bundesrepublik keine diplomatischen Beziehungen unterhielt. Diese Sperre traf alle im Ostblock lebenden NS-Verfolgten. Eine Ausnahme wurde bei Israel gemacht, zu dem die Bundesrepublik erst 1965 diplomatische Beziehungen aufnahm.
    Rund 80 Prozent der Entschädigungsgelder flossen ins Ausland und davon die Hälfte nach Israel. Am 16. Januar und am 12. März 1951 hatte sich die israelische Regierung mit zwei Noten an die vier Besatzungsmächte in Deutschland gewandt, um Ansprüche auf Entschädigungszahlungen geltend zu machen. Erste westdeutsch-israelische Kontakte gab es im April 1951 in Paris, entscheidend für den Fortgang der Verhandlungen war jedoch ein geheimes Treffen zwischen Konrad Adenauer und Nahum Goldmann, dem Präsidenten der 1951 in New York ins Leben gerufenen Conference on Jewish Material Claims against Germany, am 6. Dezember 1951 in London. Adenauer sah in der Wiedergutmachung vor allem eine moralischeVerpflichtung. Im März 1952 begannen die Verhandlungen – weil die Israelis deutschen Boden nicht betreten wollten – im niederländischen Schloss Wassenaar in Den Haag. Ein halbes Jahr später konnte das Luxemburger Abkommen unterzeichnet werden. Die Bundesrepublik stellte 3,45 Milliarden D-Mark zur Verfügung, Israel sollte davon drei Milliarden erhalten, zahlbar in vierzehn Jahresraten; der Rest ging an die jüdische Weltorganisation, die damit besonders die in die USA und nach Großbritannien eingewanderten jüdischen Flüchtlinge

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