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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wolfrum
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Verschweigenund Verleugnen gehörte zur deutschen Vergangenheitsbewältigung lange Zeit dazu, hier muss man Adorno zustimmen, doch nach 60 Jahren kann heute mit vollem Recht behauptet werden, dass es kein anderes Land auf der Erde gibt, das sich so radikal mit Natur und Ausmaß der Verbrechen in der eigenen Geschichte beschäftigt und sich um Wiedergutmachung bemüht hat wie die Bundesrepublik Deutschland.
    63. Seit wann gibt es KZ-Gedenkstätten? Die DDR war nahezu flächendeckend mit Denkmälern und Erinnerungstafeln übersät – zum antifaschistischen Widerstand, zu sozialistischen Vorbildern und zur Entwicklung der DDR. Seit 1955 wurden dort durch ein eigens dafür geschaffenes Kuratorium nationale Mahn- und Gedenkstätten eingerichtet. Das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald machte die SED mit enormem Aufwand und mithilfe einer monumentalen Gedenkstätten-Architektur zum Gedächtnisort des heroischen kommunistischen Widerstands gegen das «Dritte Reich», erkor es zum «roten Olymp», das jeder DDR-Bürger gesehen und verinnerlicht haben musste.
    Mit Ausnahme der KZ-Gedenkstätte Dachau, die 1965 eröffnet wurde, begann man in der Bundesrepublik hingegen erst seit Anfang der 1980er Jahre mit der Errichtung von Gedenkstätten, dann aber in rascher Folge. Die archäologischen Ruinen ehemaliger KZ-Lager bilden seit dieser Zeit den Kern vieler Gedenkstätten. Da in Deutschland anders als in Polen die Konzentrationslager keine Vernichtungslager waren, dokumentieren die KZ-Gedenkstätten vor allem die Funktion der Straf- und Arbeitslager als Orte des Schreckens und des menschlichen Leids. Obwohl Deutschland eine Erinnerungslandschaft par excellence darstellte, gab es in den beiden Jahrzehnten zuvor nur wenig Interesse an den Hinterlassenschaften des «Dritten Reiches». Orte und Gebäude des Nationalsozialismus wurden entweder umgewidmet, abgerissen oder verfielen ungehindert. Die Folge war, dass der Nationalsozialismus und seine Verbrechen aus dem Gedächtnis schwanden, weil die Taten «entortet» waren und das Gedenken keine «Ankerplätze» hatte. Anstöße, der Erinnerung mit Denkmälern und Gedenkstätten aufzuhelfen, kamen häufig zuerst von privater Seite oder aus den Reihen von Häftlingsgemeinschaften, so auch in Dachau, später insbesondere von zahlreichen Geschichtswerkstätten. Heute existieren rund 180 Gedenkstätten in ehemaligenKonzentrationslagern, Zuchthäusern und Synagogen. Sie sind ständig geöffnet und miteinander vernetzt, sie bieten pädagogische Programme und informieren regelmäßig mit Publikationen und Internetforen.
    64. Bis wann wurde der 20. Juli 1944 als Landesverrat gebrandmarkt? Als die bittere Gewissheit herrschte, dass die Bombe, die Claus Schenk Graf von Stauffenberg in der Wolfsschanze platziert hatte, Hitler nicht getötet, sondern nur leicht verletzt hatte, sagte der an dem Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligte Widerstandskämpfer Generalmajor Hennig von Tresckow: «Jetzt wird die ganze Welt über uns herfallen und uns beschimpfen.» Dass dies viel zu lange tatsächlich zutraf, gehört zu den Schattenseiten der Bundesrepublik. Aber auch die westlichen Alliierten hatten in der unmittelbaren Nachkriegszeit kein großes Interesse daran, den deutschen Widerstand zu würdigen. In ihren Augen kam der Anschlag viel zu spät. Zu lange hatten die Militärs Hitler fast bedingungslos unterstützt. War der 20. Juli 1944 nicht nur eine Panikreaktion opportunistischer Offiziere angesichts der drohenden Niederlage des «Dritten Reiches»? Es bedurfte zahlreicher Forschungsleistungen, um die Existenz eines «anderen» Deutschland anzuerkennen und den «Aufstand des Gewissens» als verpflichtendes Erbe für den freiheitlichen Rechtsstaat anzunehmen. Dies galt im Übrigen nicht allein für die Männer und Frauen des 20. Juli 1944, sondern für den deutschen Widerstand gegen die NS-Diktatur im Allgemeinen. Rechtsextreme Kreise beschimpften in den 1950er Jahren Widerstandskämpfer öffentlich als Landesverräter. Im Oktober 1951 erklärte das Bundeskabinett daraufhin, es sei die «Pflicht» der Demokraten, das Andenken der Widerstandskämpfer vor Verunglimpfung zu schützen. Zehn Jahre nach dem Anschlag von 1944 sprach Bundespräsident Theodor Heuss bei einer öffentlichen Erinnerungsfeier in Berlin über Fragen des Widerstandsrechts und drückte den Dank der Nation für dieses positive Erbe aus. Allerdings war es mit diesem «Dank» in der Öffentlichkeit nicht weit her: Einer

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