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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wolfrum
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unterstützte. Im Deutschen Bundestag sprachen sich von den 400 Abgeordneten lediglich 239 für das Abkommen aus, 35 waren dagegen, 86 enthielten sich und 40 blieben fern. Adenauer, dem aus der eigenen Partei große Widerstände entgegenschlugen, war auf die Stimmen der SPD-Opposition, die als einzige Fraktion geschlossen dafür stimmte, angewiesen. Überhaupt keinen Zuspruch fand das Abkommen in der westdeutschen Bevölkerung, und in Israel, dem Land der Opfer, stießen die Verhandlungen mit dem Land der Täter auf massive Kritik. «Was sollen unsere ermordeten Großeltern pro Stück kosten?» riefen dort aufgebrachte Demonstranten. Den verharmlosenden Begriff «Wiedergutmachung» lehnten die Israelis ab; sie verwendeten die Bezeichnung «Shilumim», die im Alten Testament «Zahlung» oder «Vergeltung» bedeutete.
    62. Was heißt «Aufarbeitung der Vergangenheit»? Diese Frage ist nahezu klassisch, denn sie wurde bereits 1959 in einem Radiobeitrag des berühmten Frankfurter Philosophen Theodor W. Adorno aufgeworfen. Vor dem Hintergrund eines grassierenden «Gnadenfiebers» gegenüber NS-Tätern und einer verbreiteten «Schlussstrichmentalität» in der Bevölkerung zeichnete Adorno ein überaus düsteres Bild. Er behauptete: «Dass der Faschismus nachlebt, dass die viel zitierte Aufarbeitung der Vergangenheit bis heute nicht gelang und zu ihrem Zerrbild, dem leeren und kalten Vergessen, ausartete, rührt daher, dass die objektiven gesellschaftlichen Voraussetzungen fortbestehen, die den Faschismus zeitigten.» Für Adorno bedeutete deshalb «Aufarbeitung» in erster Linie die «Beseitigung» dieser gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Voraussetzungen. War die «Vergangenheitsbewältigung» in der Bundesrepublik also ein unsägliches Skandalon? Haben die Deutschen damit sogar eine «zweite Schuld» auf sich geladen? Schauen wir genauer hin.
    Da Vergangenheitsbewältigung keinen einmaligen Akt darstellt,sondern ein langwieriger Prozess ist, müssen, erstens, zeitliche Phasen unterschieden werden. Zweitens: Das Ziel von Vergangenheitsbewältigung besteht darin, den Bruch mit einer negativen Vergangenheit herbeizuführen und zu verhindern, dass diese sich wiederholt. Um die Aufarbeitung der Vergangenheit zu bewerten, muss sie sich daran messen lassen, ob sie ihre Aufgaben erfüllt hat: eine Beseitigung der verbrecherischen Organisationen des überwundenen Regimes, eine Demokratisierung des politischen Gefüges, eine Bestrafung der Täter, eine Entschädigung der Opfer sowie eine moralisch-intellektuelle Aufarbeitung, um die politische Kultur zu demokratisieren. Dies sind vielfältige Aufgaben, die auf verschiedenen Ebenen und durch verschiedene Akteure stattfinden, die ihrerseits, drittens, auch noch unterschieden werden müssen: die offizielle Ebene der Politik, hier geht es um institutionelle Regelungen und Gesetze; die Ebene der Öffentlichkeit, in der verschiedene gesellschaftliche Gruppen agieren, und die Ebene der politisch-kulturellen Mentalitäten, auf der die Einstellungen, Meinungen und Verhaltensweisen der Menschen zu finden sind.
    International betrachtet ist der Holocaust vor allem seit den 1990er Jahren zu einer Katastrophen-Chiffre geworden, und Auschwitz steht als Metapher für das Böse in der Welt schlechthin. Die bundesdeutsche Aufarbeitung der Vergangenheit gilt heute in vielen postdiktatorischen Ländern der Welt als vorbildlich. Sie ist eine Art «Exportschlager» und manche sprechen bereits von einer «DIN-Norm» der Vergangenheitsbewältigung. Freilich war sie das nicht in allen zeitlichen Abschnitten seit 1945. Wir besitzen mittlerweile eine Fülle an Einzelstudien zu unterschiedlichsten Themengebieten, die den widersprüchlichen, aber ereignisreichen politischen, gesellschaftlichen und juristischen Umgang mit der NS-Vergangenheit beschreiben und zwar im deutsch-deutschen Beziehungsgeflecht. Sie untersuchen Stile des Umgangs mit der Schuld im Westen und im Osten, werfen umfassende Blicke auf die Nürnberger Prozesse von 1946, behandeln die umstrittene Wiedergutmachung, die Rehabilitierung des deutschen Widerstands, den skandalösen Antisemitismus, die Auschwitz-Prozesse in den 1960er Jahren, die Verjährungsdebatten des Deutschen Bundestages, die öffentliche Memorialkultur, Fortschritte in der Wissenschaft und vieles mehr. All diese Bereiche verhielten sich zueinander wie kommunizierende Röhren – und erst alles zusammen bedeutet «Aufarbeitung der Vergangenheit». Verdrängen,

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