Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland
Akten geschehen soll, ist umstritten. Wäre es nicht besser, sie der allgemeinen Archivgesetzgebung zu unterstellen? Alle Debatten um die Zukunft der Behörde und der Akten zeigen: Nichts hält die Erinnerung gründlicher wach als der Versuch, einen Schlussstrich zu ziehen.
69. Welches sind die wichtigsten historischen Museen? Vielleicht müsste man die Frage zunächst anders stellen: Seit wann gibt es überhaupt große historische Museen in der Bundesrepublik? In nahezu allen westlichen Gesellschaften lässt sich seit dem Ende der 1970er Jahre eine Konjunktur der Geschichte und der Erinnerung feststellen, besonders aber in Deutschland – und zwar in West und Ost. Überall kam es zu einer glanzvollen Inszenierung der Kultur, zu einer Art «Selbst-Archäologisierung» unter der Frage «Wer sind wir und woher kommen wir?». Geschichte erregte Masseninteresse, eine regelrechte Erinnerungsmanie breitete sich aus, auch sichtbar in historisierenden Kinofilmen oder in der Werbung. Die Faszination beruhte dabei nicht selten auf den Fluchtmöglichkeiten, die die Geschichte angesichts einer schwieriger gewordenen, unwirtlichen und unübersichtlichen Gegenwart bot. Man suchte Halt in der Vergangenheit. Dies ließ sich zuerst an Ausstellungsbesuchen ablesen: Zählte man zwischen 1960 und 1965 in der Bundesrepublik und der DDR etwa 70 historische Ausstellungen, so waren es im Zeitraum zwischen 1975 und 1980 bereits 600 und in der folgenden Fünfjahresspanne zwischen 1980 und 1985 fast 1400. Anlass für diese «Schaufenster in die Vergangenheit» waren die damaligen großen Jubiläen: «Die Zeit der Staufer», «Wittelsbach und Bayern» und «Preußen – Versuch einer Bilanz» erwiesen sich als Publikumsmagneten.
Dieses Geschichtsfieber ergriff bald auch staatliche Stellen, die über Museen nachdachten, um nationale oder regionale Identität zu stiften. Das «Germanische Nationalmuseum» in Nürnberg existierteseit der Mitte des 19. Jahrhunderts, wurde im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört, doch bereits in den 1950er Jahren wieder eröffnet. Es blieb jedoch lange Zeit eine Art Solitär. Das «Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland» in Bonn, sicherlich das wichtigste historische Museum der Bundesrepublik, wurde erst in den 1980er Jahren gegründet. Auch zahlreiche landesgeschichtliche historische Museen gehen auf diese Zeit zurück, manche sind mittlerweile sehr erfolgreich, so das «Haus der Geschichte Baden-Württemberg», andere blieben eher in Ansätzen stecken, wie das «Haus der Bayerischen Geschichte», das keinen festen Ort hat, sondern nur in Wechselausstellungen in verschiedenen bayerischen Orten präsent ist. Das «Deutsche Historische Museum» in Berlin ist das zentrale Museum der deutschen Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart und wurde nach der Wiedervereinigung opulent ausgestattet. Das «Zeitgeschichtliche Forum» in Leipzig widmet sich als Filiale des Bonner Museums der Oppositionsgeschichte der DDR. Ebenfalls ein Kind der Wiedervereinigung ist das auch architektonisch grandiose «Jüdische Museum» in Berlin, das jüdisches Leben in Deutschland seit seinen Anfängen präsentiert. Deutschland ist auch ein Museumsland, und dabei spielt die breite Palette historischer Museen eine zentrale Rolle.
70. Warum wurde Erich Honecker nicht verurteilt? Jedwede gerichtliche Aufarbeitung von Unrecht nach einer Diktatur sieht sich mit gravierenden Problemen konfrontiert. Aufgabe eines Strafrichters in einem demokratischen Rechtsstaat ist es, die empirischen Sachverhalte zu prüfen, die normativen, vom Gesetzgeber formulierten Tatbestände zu interpretieren und auf diese Weise die Schuld der Angeklagten zu beurteilen. Fast fünfzehn Jahre wurde vor deutschen Gerichten über die Toten an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze verhandelt. Wie kompliziert die Materie war, lässt sich bereits an wenigen zentralen Fragen sehen: Wer war verantwortlich für den Schießbefehl? Wussten die DDR-Grenzsoldaten, dass die Schüsse an der Grenze gegen die Menschlichkeit verstießen? Welches Recht galt zur Tatzeit? War das Unrechtsbewusstsein der Grenzer durch zahlreiche Faktoren beeinträchtigt, etwa durch ihre Ausbildung? Indessen: Bleibt bei solchen Fragen nicht die Gerechtigkeit für die Opfer, die Väter und Mütter, die Ehepartner und Freunde der Getöteten, auf der Strecke?
Seit 2005 sind sämtliche einschlägigen Ermittlungs- wie auch die gerichtlichen Verfahren erledigt, und damit ist die
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