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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wolfrum
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Niederlagen könne man nicht feiern. Während fortan, vereinfacht gesprochen, die Linksliberalen dachten, die NS-Vergangenheit durch ständige Auseinandersetzung mit ihr «besiegt» zu haben, sahen deren konservative Kritiker die Bundesrepublik seit den siebziger Jahren im Zustand einer «Dauerbüßerin». Dadurch werde einem notwendigen Patriotismus – gründend auf einer positiven Beziehung zur eigenen Vergangenheit – ständig das Wasser abgegraben. Nach dem Regierungswechsel von 1982 wollte die neue, von Helmut Kohl geführte Regierung die Bundesrepublik folgerichtig in den Stand eines «normalen» Staates heben. Dies verdeutlichte insbesondere die Inszenierung auf dem Soldatenfriedhof von Bitburg. Mit ihr sollte Westdeutschland rückwirkend in den Kreis der Westalliierten aufsteigen.
    Immer stand die Erinnerung an den 8. Mai im Spannungsverhältnis zwischen Tätern und Opfern. In den ersten Jahren nach 1945 ging es den meisten Deutschen um die Abwehr eines Traumas: jenes der Kollektivschuld. Verschiedene Entlastungsmechanismen bildeten sich aus, so in erster Linie das Schweigen, aber auch die klare Trennung von NS-Regime und deutschem Volk: Das Regime bzw. einzelne Personen seien die Täter, das Volk sei das Opfer gewesen. An die Stelle der Kollektivschuld trat die Kollektivunschuld. Es war ein langer und steiniger Weg bis zur Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.
    Seit den 1990er Jahren jedoch ist die mediale Präsenz des Nationalsozialismus und des 8. Mai so stark wie nie zuvor. Untergang und Befreiung, Abrechnung und Vertreibung – gesellschaftlich attraktiv geworden ist die Moral in der Geschichte; hier stößt der Historiker an seine Grenzen und der Politiker auf sein ureigenstes Terrain. Die meisten Deutschen haben sich daran gewöhnt, den paradoxen Zusammenhang von Niederlage und Befreiung zu betonen. Aber Vorsicht: Befreit wird, wer vordem gegen seinen Willen, den er nach Möglichkeit durch aktiven oder wenigstens passiven Widerstand unter Beweis stellt, zu etwas gezwungen wurde. Täter hingegen werden nicht befreit, sondern gefasst oder – zwischen Staaten – besiegt. Wer von Befreiung spricht, erklärt alle Befreiten zu Opfern. In ihrem eigenen Verständnis haben die Alliierten 1945 die Deutschen nicht befreit, sondern als «Feindstaat» besiegt. Und die Deutschen haben bis zum bitteren Ende verbissen gekämpft und mussten bedingungslos kapitulieren; sie haben im Mai 1945 nicht vor Freude auf der Straße getanzt. Heute ist das anders.
    68. Was macht die Gauck-Birthler-Behörde? BStU – das ist die Behörde der «Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik», seit dem Jahr 2000 geleitet von Marianne Birthler; ihr Vorgänger war Joachim Gauck. Diese Behörde wurde mit der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 gegründet, ist weltweit einmalig und bildet durch ihre moralische Autorität sowie ihr rechtsstaatliches Ansehen das Herzstück der historischen, politischen, juristischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung der SED-Diktatur. Während der chaotischen Endphase der DDR fürchteten zahlreiche DDR-Bürger, dass die Mitarbeiter der Stasi die umfangreichen Unterlagen – Akten, Filme, Tondokumente, Mikrofiches – vernichten würden, und stürmten am 15. Januar 1990 ihren Sitz in der Normannenstraße in Berlin. Sie übernahmen die Akten, die rund 180 Kilometer umfassten, bevor sie anschließend gesichert wurden. Mit dem Stasi-Unterlagen-Gesetz von 1991 schuf der Bundestag den rechtlichen Rahmen für die Behörde. Drei Aufgaben hat die BStU, die neben ihrem Berliner Hauptsitz über 14 Außenstellen verfügt und annähernd 2500 Mitarbeiter beschäftigt. Erstens die individuelle Akteneinsicht: Die Opfer der Staatssicherheit sollen zu ihrem Recht kommen, indem sie die Herrschaft über ihre Biographien zurückerhalten. Zweitens die Überprüfungvon Personen in herausgehobenen Funktionen und Ämtern, auch «Gaucken» genannt. Damit soll gewährleistet werden, dass ehemalige Stasi-Mitarbeiter nicht in öffentliche Positionen gelangen. Ein dritter gesetzlicher Auftrag erhielt daneben immer größeres Gewicht, nämlich die wissenschaftliche Untersuchung und öffentliche Darstellung des Ministeriums für Staatssicherheit, jenes Kraken, der seine Fänge flächendeckend über die DDR hielt, Menschen vernichtete, unterdrückte und um ihre Lebenschancen brachte. Wie lange die Behörde fortbestehen und was mit den

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