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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wolfrum
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Sendung ging. ARD, ZDF und die regionalen Dritten Programme bildeten seither die deutsche Fernsehherrlichkeit für die nächsten zwanzig Jahre.
    Die eigentliche massenmediale Revolution vollzog sich erst in den 1980er Jahren. Jetzt wurden die Schleusen für das Privatfernsehen geöffnet, jetzt kam es zu einem erbitterten Streit darüber, ob sich auch die Deutschen durch ungehemmten TV-Genuss «zu Tode amüsieren» würden, was erst vor einigen Jahren in die Debatte über das «Unterschichtenfernsehen» gemündet hat. 1981 erklärte das Bundesverfassungsgericht kommerzielle Betreiber für zulässig. Unter massivemDruck der Interessenlobby machte die Regierung Kohl den Weg für die Privaten frei. Zuerst kam es zu einer fortschreitenden Verkabelung der Bundesrepublik. Eine Serie neuer Landesrundfunkgesetze ermöglichte es sodann den meisten Bundesländern, private Fernsehsender anzubieten. Der luxemburgische Sender RTL plus begann seine Tätigkeit am 1. Januar 1984, zweieinhalb Jahre später trat der vom Axel Springer- und Leo Kirch-Konzern getragene Sender SAT.1 in die Fernseharena, danach kamen Pro Sieben, VOX und viele andere mehr. Auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen reagierte auf die neue Konkurrenz, die Sendekapazitäten wurden erweitert und mit nur zum Teil niveauvollen Familiengeschichten bestückt, anfangs mit amerikanischen, wie «Dallas» oder «Der Denver-Clan», bald mit eigenen Produktionen, wofür die «Schwarzwaldklinik» – die an die Heimatfilme der 1950er Jahre anknüpfte – oder die «Lindenstraße» stellvertretend für alle anderen stehen können. Gegenüber einigen Produktionen der Privaten, etwa «Big Brother», waren diese noch geradezu geistig anspruchsvoll. Die massenmediale Revolution veränderte die Lebensführung – das Weltgeschehen kam in das Wohnzimmer –, öffnete der Werbung ein breites neues Feld und wirkte sich nicht zuletzt auch auf die Politik aus: Ohne Fernsehwirkung ist nahezu jeder Politiker in der Bundesrepublik heute dem Untergang geweiht.
    84. Was soll Postmoderne sein? «Postmoderne» ist sicherlich mittlerweile einer der am meisten ausgetretenen Begriffe, die existieren, ist zum Mode- und Plastikwort verkommen. «Anything goes», «alles ist möglich», lautete der postmoderne Schlachtruf, der seit Anfang der 1980er Jahre die gesamte westliche industrielle Welt ergriff. Das Positive an diesem Motto war ein größeres Maß an persönlicher Freiheit. Das Negative daran lässt sich auf den Nenner «fehlende Wertorientierung» bringen. Schon an diesem Gegensatz zeigt sich, wie umstritten das Etikett «Postmoderne» ist. Hatte die Gesellschaft den Glauben an die Sinnhaftigkeit und Vernünftigkeit der Welt verloren? Der französische Philosoph Jean-François Lyotard schrieb 1979 das Manifest postmodernen Denkens, das rasch enorme Durchschlagskraft erhielt, nicht zuletzt in der Bundesrepublik. Die «große Erzählung» von Wissen und Wahrheit war demnach an ein Ende gelangt, den allumfassenden Sinn des Lebens und der Kultur gebe es nicht; was bleibe seien Teilwahrheiten, die nur noch in kleiner Münze bezahlt würden. Ein Plan der Geschichte? Eine Fehlanzeige. Die Herrschaftder Vernunft? Eine Leerstelle. Aber traf dieser Befund zu? Wurde damit nicht das Projekt der aufklärerischen Moderne verraten? So jedenfalls mutmaßte der deutsche Philosoph und Gegenspieler Lyotards, Jürgen Habermas. Die neue Unübersichtlichkeit sei eine gegen die Aufklärung gerichtete Beliebigkeit, so seine Anklage.
    Wie dem auch sei – die Postmoderne war ein wesentliches Kennzeichen der 1980er Jahre. Man sieht dies am besten bei den bildenden Künsten und vor allem in der Architektur. Photo-, Film- und Videokunst, Experimente mit Laserstrahlen – diese Richtungen brachen mit Wucht in den traditionellen Kunstbetrieb ein. Am sichtbarsten sind die Hinterlassenschaften der Postmoderne in der Architektur. In den 1980er Jahren war hier ein radikaler Eklektizismus vorherrschend: Willkürlich wurden Versatzstücke aus verschiedenen Stilen ausgewählt und spielerisch miteinander kombiniert. Verspielte Vielfalt – so ließe es sich formulieren. Diese Form der Architektur opponierte in typisch postmoderner Manier gegen den Ganzheits- und Wahrheitsanspruch der Moderne und setzte ihr das Unvollendete, Fragmentarische, das Verspielte und letztlich Entscheidungslose entgegen. Kritiker sahen darin nur «Gefälligkeitsarchitektur». Ende der 1970er Jahre bereits provozierte James Stirling mit dem Bau der

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