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Die 101 wichtigsten Fragen: Deutsche Literatur

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen: Deutsche Literatur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Jahraus
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sondern Geld ist ein Wert an sich selbst, weil man mit Geld Tauschmöglichkeiten eintauschen kann. Deswegen ist es wichtig, Geldmittel zu akkumulieren. So entsteht der moderne Kapitalismus. Nun muss man allerdings sagen, dass Fortunatus, wie es sein Name ausdrückt, Glück gehabt hat, als ihm die Jungfrau des Glücks begegnete. Glück war schon zuvor ein Thema der Literatur. Überall dort, wo Glück thematisiert wird, zeichnet sich bereits das neuzeitliche Weltbild ab, das wesentlich komplexer ist als zum Beispiel das Weltbild der Ritterromane. Die Thematisierung von Glück ist die Thematisierung der Zufälligkeit des menschlichen Lebens. Geld ist wie Glück; es kommt und geht, wie gewonnen, so zerronnen.
    17. Welche Bedeutung hat die Sprache für die Modernisierung des Romans? Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein hatte der Roman um seine Anerkennung und seine Selbstbehauptung im Reigen der literarischen Gattungen zu kämpfen. Da man diese Gattung kaum auf allseits bekannte und bestens tradierte antike Vorbilder zurückführen konnte, konnte man sie auch nicht aus einem normgebenden Kanon ableiten. Der Roman hat weder die klare Gliederung eines Dramas noch kann er auf eine rhetorische Struktur zurückgreifen und nicht zuletzt ist auch seine Sprache ungebunden, in Prosa – noch heute schwingt etwas von diesem negativen Urteil in unserem Adjektiv ‹prosaisch› mit. Genau diese Faktoren, die dem Roman in jenen Zeiten den Eintritt in die höheren Ränge des Kanons verweigern, sind zugleich diejenigen Faktoren, die seine Geschichte zu einer Erfolgsgeschichte machen. Eines der berühmtesten Beispiele hierfür ist sicherlich der
Don Quijote
von Miguel de Cervantes (1605/1615). Er parodiert nicht nur die Ritterromane, sondern erzählt auch seine Geschichte als Reflex auf die ausufernde Lektüre von solchen Ritterromanen durch seinen Helden. Und im zweiten Band wird die autoreflexive Schleife noch enger gezogen, indem zum Beispiel der Held Figuren begegnet, die den ersten Band schon selbst gelesen haben.
    Ich will hier auf ein anderes Beispiel eingehen, auf den über alle Maßen eigentümlichen Roman von Johann Fischart, genannt Mentzer:
Affentheuerlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung
aus dem Jahr 1575; 1582 und 1590 folgten weitere, stark angewachsene und umfassend ergänzte Auflagen. Eigentlich ist er nur eine Übersetzung eines französischen Romans, nämlich des Romans
Gargantua
von François Rabelais (1483–1553). Dieser Roman ist Teil einer Reihevon fünf Romanen (erschienen in den Jahren 1532 bis 1564), die das Schicksal des Riesengeschlechts um Gargantua erzählen und heute unter dem Titel
Gargantua und Pantagruel
bekannt sind.
Gargantua
ist der zweite Roman in dieser Reihe; von der Chronologie der Gesamthandlung her gesehen, ist er der erste Band, der die familiäre Vorgeschichte von Pantagruel schildert, nämlich die Herkunft und die Abenteuer seines Vaters Gargantua. Erzählt wird auch hier im Muster des Ritterromans, der aufgegriffen, aber satirisch subvertiert wird. Vor allem zeichnet sich der Roman durch seine ungehemmte Fabulierlust aus, die aufs Engste mit einer hypertrophen, hyperbolischen und grotesken Übersteigerung und Überzeichnung verknüpft wird. Gargantuas Eltern sind absolut fress- und saufwütige Riesen. Er selbst durchläuft die Karikatur einer scholastischen Bildungsgeschichte, in der Versatzstücke scholastischer Ausbildung mit Schelmenelementen durchsetzt sind, zum Beispiel als er die Glocken von Notre-Dame abhängt und einem Esel umbindet. Später wird er dann zurückgerufen, um seinem Vater in einem Konflikt beizustehen, der nach dem Muster des Ritterromans geschildert wird. Dabei geht es eigentlich um eine lächerliche Geschichte, nämlich um den Diebstahl von Brot aus einem Weingarten. Doch damit wird beispielhaft deutlich, worauf Rabelais selbst schon in der Vorrede, die Fischart mit übersetzt, aufmerksam macht. Es geht um ernste Angelegenheiten in einem lustigen und grotesken Gewand. Bei diesem Diebstahl geht es also um Brot und Wein, und damit wird eine der zentralen Lehren des Christentums, die Transsubstantiation, angesprochen, die schon das vorreformatorische Kräftefeld erahnen lässt.
    Wem könnte eine solche Geschichte gefallen: Zechern und Syphilitikern? So jedenfalls werden die Leser in der Vorrede von Rabelais angesprochen. Bei Fischart liest sich das so: «An alle Klugkröpffige, Nebenverkappte, Nebelnebuloner, Witzersauffte, Gurgelhandthirer und gepalierte

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