Die 101 wichtigsten Fragen - die Bibel
Chr.) haben zwei Jünger Jesu – Petrus und Jakobus – unabhängig voneinander Jesus im Traum oder Tagtraum erlebt. Aus ihrem Erleben schließen sie, Jesus lebe bei Gott im Himmel. Den Vorgang erklären sie sich wie folgt: Der Geist des Toten gelangt (nach biblischer Auffassung) entweder in das unterirdische Totenreich, oder er wird von Gott in den Himmel aufgenommen. Bereits die Psalmen kennen diese Doppelheit (Psalm 16); das himmlische Schicksal ist Gott besonders nahestehenden Menschen vorbehalten. Wer von Gott der Aufnahme in den Himmel gewürdigt wird, bleibt nur kurz im Totenreich; am dritten Tag nimmt ihn Gott in den Himmel auf. Diese zeitliche Bestimmung ist einem alttestamentlichen Prophetentext entnommen: «nach zwei Tagen wird er uns beleben, am dritten Tag wird er uns aufrichten, und wir werden leben vor ihm» (Hosea 6,2). Daher die Botschaft: Jesus ist am dritten Tag nach seinem Tod auferstanden; er lebt und ist bei Gott.
Um das Jahr 55 berichtet Paulus, Jesus sei «dem Kefas (d. h. Petrus) erschienen, dann den Zwölfen. Danach erschien er mehr als 500 Brüdern. … Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln» und zuletzt noch Paulus selbst (1 Korinther 15,5–8). Abgesehen von seinem eigenen Erlebnis berichtet Paulus, wie er selbst mitteilt, aus zweiter Hand. Petrus und Jakobus haben ihm von ihrem Erlebnis berichtet. Zum einfachen Ereignis individuellen Sehens sind Massenvisionen hinzugetreten. Man hat Paulus erzählt,
allen
seinen Anhängern – nämlich 500 Personen – sei Jesus erschienen.
Zwischen etwa 70 und 100 finden wir in den Evangelien eine ausgearbeitete Auferstehungslegende mit den Motiven: leeres Grab, Frauenbesuch am Grab, Engelerscheinung, Jesuserscheinung. Die Anwesenheit des Auferstandenen wird immer konkreter geschildert: Der Auferstandene wird berührt, er nimmt Speise zu sich. Schließlich mündet die Erzählung bei Lukas in eine Legende, die von einer vierzigtägigen Belehrung der Jünger durch den Auferstandenen und dessen anschließender Himmelfahrt weiß (Lukas 24, Johannes 20–21, Apostelgeschichte 1,1–11).
79. Wie ist der Apostel Paulus Christ geworden? Paulus war zunächst Verfolger der Christusgläubigen. Doch dann geschah etwa im Jahr 34 etwas Unerwartetes: Paulus wurde selbst Christ. Er berichtet, Gott habe es gefallen, ihm «seinen Sohn zu offenbaren» (Galater 1,16). Die Folge war eine radikale Lebensänderung: Paulus wurde zum christlichen Missionar und zum bedeutendsten Theologen der ersten christlichen Generation.
Wollen wir mehr über die Lebenswende des Paulus und ihre Folgen erfahren, müssen wir zu jener romanhaften Paulusbiographie greifen, die uns die Apostelgeschichte bietet. Erzählt wird von einer dramatischen Verwandlung des Paulus in der Nähe der Stadt Damaskus (Apostelgeschichte 9): Der Christenverfolger wird von einem Lichtstrahl getroffen, stürzt zu Boden, vernimmt Jesu an ihn gerichtetes Wort – «Saul, Saul, warum verfolgst du mich?» – und erblindet. Ein Gläubiger wird in einem Traum von Jesus beauftragt, sich um Paulus zu kümmern. Paulus erhält das Augenlicht wieder und wird getauft. Die Taufe schildert Paulus selbst als symbolisches Sterben und Auferstehen mit Christus (Römer 6,3–4), während die Apostelgeschichte von einer Erfüllung mit heiligem Geist spricht. Durch die Taufe verwandelt, ist Paulus ein neuer Mensch. In Jesus Christus hat er einen göttlichen Herrn, der ihn schützt.
Die Berufungsgeschichte gibt nicht nur die persönliche Geschichte des Paulus wieder; sie entspricht auch der Geschichte vieler Menschen seiner Zeit, die in der kosmopolitischen hellenistischrömischen Welt den lokalen religiösen Kulten ihrer ländlichen Heimat entfremdet waren und nach individuellem göttlichem Schutz verlangten. Einen Schutzgott oder eine Schutzgöttin fanden sie durch Einweihung in einen «Geheimkult» (Mysterienkult), so genannt, weil über Einzelheiten der Einweihung Stillschweigen zu wahren war.
Von einer Einweihung, die der des Paulus entspricht, erfahren wir in dem heidnischen Roman
Der goldene Esel
von Apuleius (2. Jahrhundert). Erzählt wird vom Schicksal eines Mannes namens Lucius. Von Gegnern in einen Esel verwandelt, erlebt der Eselsmensch allerlei Abenteuer. Schließlich kann er sich mit Hilfe der Göttin Isis, die ihm erscheint und mit ihm redet, von der Eselsgestalt befreien. Die Zusage der Göttin an Lucius, die Rückverwandlung in einen Menschen mit Hilfe eines Priesters und die Einweihung in den
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