Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arndt
Vom Netzwerk:
Schwarzen Protagonisten auf einer englischen Bühne ein, der sich ganz deutlich von den anderen Schwarzen Dramenfiguren seiner Zeit unterscheidet, die allein zur antithetischen Untermauerung
weißer
Tugenden auf der Bühne standen. Noch mehr sogar: Shakespeare stellt nicht Othellos Tat an den Pranger, sondern den Rassismus, der aus Othello einen Mann macht, der alle von Weißen gehegten Vorurteile von Emotionalität bis Grausamkeit zu bestätigen scheint.
    Bis heute können sich Shakespeares
weiße
Erben mehrheitlich nicht zu der Annahme durchringen, dass der Autor der berühmten Zeilen «from fairest creatures we desire increase» Schönheit und Begehren in einer Schwarzen Frau gefunden haben könnte – und sei es auch nur in der lyrischen Imagination.
    31. War Freitag gern Robinsons Sklave?   Robinson Crusoe ist berühmt als schiffbrüchiger Held, der die Natur bezwingt und nahezu drei Jahrzehnte auf einer Insel lebt. Meist weniger bekannt ist, dass das gemeinsame Leben von Robinson und Freitag kaum ein Drittel des Romans umfasst und Crusoe zu Beginn des Romans selbst versklavt wird. Dabei wird aus der Ich-Perspektive Robinsons deutlich, dass diese Form der Sklaverei Unrecht ist – während er es für rechtens hält, People of Color zu versklaven. Robinson flieht zusammen mit zwei «moors», wie er sie nennt, doch nur seine eigene Freiheit betrachtet er als legitim. Als sie auf dem Fluchtboot zu verhungern drohen, wirft Robinson einen seiner beiden Begleiter kurzerhand über Bord. Als sie von Portugiesen gerettet werden, schenkt der dankbare Robinson ihnen den verbliebenen Xury als Sklaven und betont, dieser sei damit einverstanden und könne nach 10 Jahren seine Freiheit erlangen, wenn er zum Christentum konvertiere. Diese Freigiebigkeit bedauert er kurz darauf, als er selbst Plantagen- und Sklavenbesitzer in Brasilien wird. Um seine Plantage profitabler zu machen, beschließt er, sich Sklav_innen aus Afrika zu besorgen.
    Diese Reise lässt ihn auf der Insel stranden. Als
homo oeconomicus
nimmt er von der Insel Besitz und lebt eine lehrbuchhafte Aneignung des kolonialen Raums vor. Mit Schrecken wird er mehr als 28 Jahre später feststellen, dass «seine Insel» gar nicht unbewohntwar. Jedoch wird sein Glaube, dass ihm die Insel gehöre, davon nicht erschüttert. Denn es sind nackte «savages», die er als (geschlechtslose) Kannibalen und nicht als Menschen wahrnimmt und die daher in seinen Augen keine legitimen Ansprüche auf Land und Leben besitzen. Als er einem von ihnen das Leben rettet – indem er einen Verfolger erschießt –, unterwirft sich der Gerettete. Er kniet vor Robinson nieder und bettet dessen Fuß auf seinem Kopf. Was auch aus nackter Angst geschehen sein konnte – der Knall von Robinsons Gewehr und dessen Fähigkeit, in der Ferne zu töten, dürften ihn in Schrecken versetzt haben –, wertet Robinson eindeutig und vom Text unhinterfragt als «token of swearing to be my slave forever». Er bringt ihm bei, dass er ihn «Master» zu nennen habe, während sein Name «Friday» sei – benannt nach dem Tag, an dem Robinson ihn gerettet habe. Dass es Robinsons Zeitrechnung ist, die den Schwarzen benennt und Robinson keinen Gedanken daran verschwendet, wie Fridays bisheriger Name lautete, ist eine koloniale Aneignungsgeste, die auslöscht, wer Friday bis zu dieser Begegnung war. Dieser widerspricht nicht, was ganz einfach daran liegt, dass die Erzählperspektive die Fokussierung auf Robinsons Sicht der Dinge zu keinem Zeitpunkt verlässt. An wenigen Stellen wird Friday (wie schon Xury) eine kleine Passage direkter Rede zugebilligt. Anders als Shakespeares Caliban, der ebenso redegewandt ist wie Prospero, sprechen sie über Gelüste nach Menschenfleisch und zwar in einem fehlerhaften Englisch, das an Kindersprache erinnert – Toni Morrison bezeichnet es als afrikanistisches Idiom – und sie daher zwangsläufig als Robinson intellektuell unterlegen erscheinen lässt. Dass sie eigene Muttersprachen haben, bleibt eine Leerstelle im Text. Dass sie überhaupt Englisch sprechen können und das «Privileg» besitzen, in Robinsons Nähe überleben zu können, ist konzeptionell eng mit ihrer Bereitschaft, Christen zu werden, verbunden. Friday wird diese Scharnierfunktion «rassentheoretisch» auf den Leib geschrieben.
    Dass sich Robinson Crusoe als Lehrstück eines «Wie kolonisiere ich die Neue Welt» liest, ist gewollt. Daniel Defoe ist nicht nur als Pionier des englischsprachigen Romans bekannt, sondern

Weitere Kostenlose Bücher