Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
die dem Handel mit Menschen dienten, enorm profitierten.
Eine neue Form war die 1682 von Friedrich Wilhelm I., Kurfürst von Brandenburg, gegründete
Brandenburgisch-Africanische Compagnie,
die über eine eigene Flotte verfügte. Kammerjunker Otto Friedrich von der Groeben (1657–1728) wurde vom Kurfürsten mit dem Auftrag nach Westafrika entsandt, dort eine eigene Kolonie zu begründen. In den darauffolgenden Jahren wurden ein Stützpunkt sowie vier Handelsforts errichtet. Das größte war Groß Friedrichsburg im heutigen Ghana. Neben militärischem Personal lebten dort Handwerker, Barbiere, Schneider, Tischler, Schuster, Zimmermeister, Büchsenmacher, Schmiede, Maurer, Bäcker und Böttcher. Gehandelt wurde mit Gold, Elfenbein, Straußenfedern, Salz und Gummi. Groß Friedrichsburg war außerdem ein Ort, an dem etwa 30.000 versklavteMenschen überleben mussten, bevor sie mit deutschen Schiffen in die Amerikas gebracht wurden.
Der Kurfürst war bemüht, dieses Gewerbe zu vergrößern, doch ein Aufstieg zu einer England, Frankreich oder Holland vergleichbaren Seemacht war keinem deutschen Staat möglich. Der Sohn des Kurfürsten, der sparsame Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., hatte kein Interesse daran, den Verbund von Kriegsflotte und Kolonien fortzuführen. 1717 verkaufte er sämtliche Kolonien.
28. Was ist Maafa? Der Begriff «Sklavenhandel» stammt aus einem Zeitalter, in dem kaum infrage gestellt wurde, dass Menschen als Ware gehandelt und damit in eine Reihe mit Tieren oder mit Gütern wie Tabak, Baumwolle oder Gewürzen gestellt wurden. Es ist ein historischer Fakt, dass Afrikaner andere Afrikaner_innen verschleppten und an Weiße verkauften. Das Gesamtsystem der europäischen Versklavung von Afrikaner_innen aber war auf die Zwischenhändler nicht angewiesen. John Hawkins berichtet schon im 16. Jahrhundert (stolz), wie er und seine Crew ins Hinterland vorgedrungen seien und Menschen mit Waffengewalt gefangen genommen hätten. Hinzu kommt, dass es sich ohnehin nie um einen gleichberechtigten Handel auf Augenhöhe handelte. So kann diese Kollaboration nicht davon ablenken, dass die Rolle, die den Afrikaner_innen von der Sklaverei zugedacht war, jene war, gegen ihren Willen «gehandelt», das heißt verschleppt, zu werden, nicht aber, profitierende Händler zu sein. Die Schwarzen Fänger waren jederzeit in Gefahr, selbst versklavt zu werden. Nicht die kollaborierenden Afrikaner, sondern die Weißen in den Amerikas und in Europa waren die Profiteure der Versklavung.
Durch die Deportation wurden aus freien Menschen Sklavi_innen, die jeden rechtlichen Anspruch verloren. Deswegen gab es auch keine Strafandrohung für
weiße
Männer, die eine Schwarze Frau vergewaltigten.
Um das Prozesshafte hervorzuheben (= Weiße versklaven Schwarze), ist es eher angemessen, von versklavten Menschen statt von Sklaven/Sklavinnen zu sprechen. Analog dazu kann der Begriff «transatlantischer Sklavenhandel» ebenso wie «Dreieckshandel» vermieden werden, indem von der Versklavung und Massendeportation von Afrikaner_innen gesprochen wird. Alternativ ist auch «europäische Versklavung afrikanischer Menschen» sinnvoll, da hier die betreffenden Akteure und Profiteure benannt werden.
In den USA wird zunehmend vom «Black» oder «African Holocaust» gesprochen. Der Rückgriff auf diesen Begriff soll die europäische Versklavung von Afrikaner_innen erinnerungspolitisch als Deportation und Genozid verorten, ohne dabei die Erfahrung der Shoah relativieren zu wollen. Parallel hat sich auch, vor allem befördert durch die afrikanisch-amerikanische Theoretikerin Marimba Ani,
Maafa
als Begriff für die europäische Versklavung von Afrikaner_innen etabliert. Er kommt aus dem Kiswahili, eine der wichtigsten afrikanischen Sprachen, die mehr als 80 Millionen Menschen sprechen. Maafa ist frei als Katastrophe, schreckliche Begebenheit und große Tragödie zu übersetzen. Dabei führt er gezielt Sklaverei, Kolonialismus, Imperialismus und Rassismus zusammen und spricht über die Gräuel der Sklaverei ebenso wie über den Widerstand, mit dem ihr begegnet wurde. «
Maafa
steht», merkt die Rassismusforscherin Nadja Ofuatey-Alazard an, «neben der Erfahrung des Traumas der Versklavung daher auch für die schöpferisch-widerständige Überlebensfähigkeit afrikanischer/afrodiasporischer Kulturen.» In dieser Mehrgleisigkeit spannt Maafa den Bogen bis in die Gegenwart hinein. Er spricht über koloniale Verbrechen und darüber, dass
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