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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arndt
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auch des ökonomischen Journalismus. In zahlreichen Pamphleten und Zeitungsartikeln appellierte er an seine britischen Zeitgenoss_innen, sich verstärkt in koloniale Projekte einzubringen. Die Versklavung von Menschen stellt Defoe, der Aktieninhaber dieses Geschäfts mit Menschenleben war, als vergleichbar einträglich dar.

III. Rassismus seit der Aufklärung
    32. Welche Rolle spielt Wissenschaft für Rassismus?   Ab Mitte des 17. Jahrhunderts begannen europäische Wissenschaftler_innen, das Konstrukt «Rasse» zu fundieren. Ihre Grundannahmen brauchten sie nicht zu verbergen, weil der Kolonialismus ihrer «Erkenntnisse» politisch, ökonomisch und, so seltsam es klingen mag, ethisch bedurfte.
    Einer der ersten, der den Begriff «Rasse» wissenschaftlich grundierte, war 1684 der französische Arzt François Bernier (1620–1670), der von den Nationalsozialist_innen als Begründer der «Rassenforschung» gewürdigt wurde. Der schwedische Botaniker und königliche Leibarzt Carl Linné (1707–1787) klassifizierte in seiner
Systema Naturae
(1735) Pflanzen und Tiere nach Gattung und Art – ein Modell, mit dem bis heute in Botanik und Zoologie gearbeitet wird. Auf ihn geht auch der Begriff
Homo sapiens
zurück, den er konzeptuell mit der Annahme verflocht, dass der «Homo Europaeus» den anderen drei «Rassen», die er bestimmte («rote Amerikaner», «gelbe Asiaten» und «schwarze Afrikaner»), überlegen sei. Etlichen Aufklärern diente sein Buch als Steilvorlage für die pseudowissenschaftliche Legitimation des Rassismus. In England stehen dafür David Hume (1711–1776) oder William Petty (1627–1687), in Frankreich George Louis Leclerc de Buffon (1707–1788), Voltaire (François-Marie Arouet, 1696–1778) oder Jean-Jacques Rousseau (1712–1778). Aus Deutschland gehören neben Immanuel Kant (1727–1804), Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840), auf den der Begriff kaukasische Rasse zurückgeht, die allen anderen «Rassen» überlegen sei, und Christoph Meiners (1747–1810) zu den Begründern der «Rassenideologie».
    Die Willkür, mit der körperliche Unterschiede dabei mit anderen Attributen verbunden und zu Ordnungsmustern zusammengefasst wurden, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass es um 1790 mindestens sieben verschiedene Erklärungsansätze gab, die auf ganz unterschiedliche Zahlen vermeintlich existierender «Rassen» kamen – das Spektrum reichte von zwei (Meiners und Metzger) bis sieben «Rassen» (Hunter). Die meisten gingen wie Linné, Klugel und Kant von vier «Rassen» aus, Bernier und Hume identifizierten je nach Definition vier oder auch fünf «Rassen».
    Diese neuen, wissenschaftlich angelegten Theorien um «Rasse»orientierten sich an antiken Versuchen, körperliche Erscheinungsformen des Menschen in ein Raster zu bündeln, konturierten diese aber auch neu. Wie schon in der Antike gingen viele der naturwissenschaftlichen Theorien davon aus, dass «Hautfarbe» und Temperament klimatisch bedingt seien und «Hautfarbe» insofern auch mental zu deuten sei. Zugleich hegten sie aber zunehmend Zweifel daran, ob sie ausreiche, die neu eingeführte Kategorie «Rasse» (allein) zu tragen. Dies führte zur Infragestellung bewährter Erklärungsansätze wie etwa der Klimatheorie. Vor allem weil sich Weiße zunehmend erfolgreich in tropischen Räumen ansiedelten, verlor die Klimatheorie unter Europäer_innen an Attraktivität. Galt es doch zu postulieren, dass bei den
weißen
Siedler_innen der Amerikas, die sich gegenüber den Europäer_innen der «Alten Welt» behaupten mussten, keine durch das Klima hervorgerufene Degeneration eintreten könne.
    33. Wie aufklärerisch war die Aufklärung wirklich?  
Aufklärung
steht für Werte wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Gerechtigkeit, Mündigkeit oder Verstand. Diese Ideale rieben sich an einer komplizierteren gesellschaftlichen Wirklichkeit, deren eklatante Defizite die Aufklärung überhaupt erst notwendig machten. Zugleich aber blieb Aufklärung selbst hinter ihren Ansprüchen zurück – «Brüderlichkeit» zeigt an, dass die Hälfte der Menschen – die Frauen – nicht nur begrifflich von der Partizipation der hehren Ideale ausgeschlossen blieb. Das war längst nicht die einzige emanzipatorische Schwachstelle.
    Die Bezeichnung Aufklärung und noch mehr die englische beziehungsweise französische Entsprechung,
Enlightenment
und
Lumiere,
kündet von einer ideengeschichtlichen Nähe zur christlichen Farb- und Lichtsymbolik und ihrer Aneignung

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