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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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dir neulich schon gesagt! Sag nicht, daß ich es dir nicht gesagt habe!«
    Klopfte da der Wahnsinn an meine Tür? Schon mancher wackere Seemann hatte durch die Eintönigkeit der Ozeane den Verstand verloren. Ich sah nur Wellen. Kleine Wellen, mittlere Wellen und zwei ziemlich große Exemplare, die sich direkt auf mich zubewegten. Je näher sie kamen, desto deutlicher wurden die Stimmen.
    »Du hast mir gar nichts zu sagen! Wenn hier eine das Sagen hat, dann ja wohl ich!«
    Es waren die beiden Wellen, die da quasselten.

    Aus dem
    »Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder,
    Daseinsformen und Phänomene Zamoniens
    und Umgebung«
    von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller

    Tratschwellen, die: Tratschwellen entstehen fast ausschließlich in besonders abgelegenen, ereignisarmen und mäßig beschifften Gegenden der Ozeane, meistens während anhaltender Flauten. Eine genauere wissenschaftliche Betrachtung und Herkunftsanalyse hat bisher noch nicht stattgefunden, da Tratschwellen dazu neigen, ihre Opfer um den Verstand zu bringen. Die wenigen Wissenschaftler, die es gewagt haben, Tratschwellen zu erforschen, sitzen heute in gutbewachten Gummizellen oder ruhen auf dem Grund des Meeres, in Form von Gerippen, durch die die Tropenfische schwimmen.
    Normalerweise erscheinen Tratschwellen ausschließlich Schiffbrüchigen, umkreisen dann tage- oder wochenlang die Hilflosen und setzen ihnen mit ihren geschmacklosen Scherzen und zynischen Bemerkungen über die Aussichtslosigkeit der Lage so lange zu, bis die Bedauernswerten den von Wassermangel und Sonnenbestrahlung schon strapazierten Verstand vollends verlieren. Eine alte zamonische Sage ist der Ursprung für den populären Irrglauben, die Tratschwellen seien die wellengewordenen Gedanken eines gelangweilten Ozeans.
    Es sind schon mehr Schiffbrüchige durch Tratschwellen umgekommen als durch Verdursten. Aber das wußte ich damals alles noch nicht. Für mich war es lediglich eine willkommene Ablenkung in der Ödnis der Flaute.
    Die beiden Wellen waren nun ganz nahe herangekommen. Als sie mich sahen, auf meinem wackligen Floß, nackt und ausgebleicht von der sengenden Sonne, bekamen sie einen Lachanfall.
    »Du meine Güte!« schrie die eine Welle. »Was haben wir denn da?«
    »Einen Luxusdampfer!« kreischte die andere. »Mit Sonnendeck!«
    Sie schwappten hin und her vor Lachen. Ich verstand nicht ganz, was sie meinten, aber ich lachte mit, um mit ihnen in Kontakt zu kommen.
    Die Wellen umkreisten das Floß wie zwei Haifischflossen. »Wahrscheinlich denkst du jetzt, du hast den Verstand verloren, nicht wahr?« fragte die eine.
    »Sprechende Wellen sind das erste Anzeichen für einen Sonnenstich, wußtest du das?« die andere.
    »Ja, und danach kommen singende Fische. Du solltest dir dein Schicksal erleichtern. Spring einfach ins Wasser!« Sie schwappten hin und her und schnitten gräßliche Grimassen.
    »Huuuh!« rief die eine Welle.
    »Buuuh!« die andere.
    »Wir sind die Wellen des Grauens!«
    »Spring schon! Mach der Qual ein Ende!«
    Ich dachte nicht daran zu springen. Im Gegenteil, ich war hocherfreut, daß sich endlich jemand um meine Unterhaltung bemühte. Ich setzte mich an den Rand des Floßes und betrachtete amüsiert das Schauspiel.
    »Mal im Ernst, Kleiner ...«, sagte eine der Wellen, nachdem sie bemerkt hatten, daß sie mit der Nummer bei mir nicht weit kamen. »Wer bist du eigentlich? Wo kommst du her?« Das war das erste Mal in meinem Leben, daß mich jemand etwas fragte. Ich hätte gerne geantwortet, aber ich wußte ja gar nicht, wie das geht.
    »Was ist los, Junge?« fuhr mich die andere Welle schroff an. »Hast du deine Zunge verschluckt? Kannst du nicht sprechen?«
    Ich nickte. Ich konnte zuhören, aber nicht sprechen. Weder die Zwergpiraten noch die Klabautergeister hatten darauf Wert gelegt, daß ich sprechen lernte. Mir fiel es auch gerade erst selber auf.
    Die beiden sahen zunächst mich, dann sich selbst lange und tief betroffen an.
    »Das ist ja furchtbar! Er kann nicht sprechen. Hast du so etwas Schreckliches schon jemals gehört?« sagte die eine.
    »Das ist ja grauenvoll!« rief die andere. »Das stelle ich mir schlimmer vor als ... als Verdunsten! «
    Die Wellen umkreisten mich mit besorgten Gesichtern.
    »Du Ärmster der Armen! Verurteilt zum ewigen Schweigen! Was für ein bedauernswertes Geschöpf!«
    »Das ist wirklich das Erschütterndste, was ich in meinem bisherigen Leben gesehen habe!«
    »Erschütterung ist kein würdiges Wort für meine Empfindungen

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