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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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ist zerrissen. Ich habe große Lügengladiatoren scheitern sehen, weil sie im falschen Augenblick geblinzelt haben. Die meisten Lügengladiatoren trainierten, indem sie ständig ihre Freunde und Bekannten anlogen, um in Form zu bleiben. Ich selbst lehnte solche Trainingsmethoden ab. Nicht nur, daß man dadurch sehr bald sämtliche Freunde verliert, ich fand sie auch langweilig. Ich suchte mir ein größeres Publikum.
    Ich ging an den Strand von Atlantis und log das Meer an. Ich zog vor die Tore der Stadt und betrog die mächtigen Pyritberge. Ich stieg auf den höchsten Schraubenturm von Lisnatat und beschwindelte den Himmel. Ja, ich belog die Elemente, und das Tosen der Brandung, der Sturm in meinen Ohren und das Echo der Berge waren mein Applaus. Nur so bekommt man ein Gefühl für große dramatische Prahlereien. Wenn man sich mit den Elementen anlegt, muß man damit rechnen, von einer Welle ins Meer gespült oder von einem Blitz oder einer Lawine erschlagen zu werden. Das befeuert die Phantasie und schärft die Instinkte, man wird wachsam und listenreich.
    Tatsächlich bin ich einmal beim Training um ein Haar vom Blitz erschlagen worden. Ich stand auf dem Schraubenturm, ein Gewitter kündigte sich an. Ich log das Blaue vom Himmel, kam richtig in Fahrt - und wurde schließlich übermütig. Ich schusterte im Überschwang eine halbgare Lüge zusammen, und im gleichen Augenblick ging ein mächtiger Blitz auf mich nieder. Ich konnte gerade noch zur Seite springen, er teilte die Spitze des Schraubenturms in zwei Hälften, und das war mir eine Lehre. Ein Lügengladiator darf sich nie von seinen Gefühlen leiten lassen. Alles, wie dramatisch und spontan es auch vorgetragen sein mag, muß auf kühler Berechnung basieren.
    Eine weitere wichtige Trainingsmethode ist das Lesen gro- ßer, mittlerer und kleiner Literatur. Schriftsteller sind, abgesehen von Politikern, die besten Lügner, von ihnen kann man am meisten lernen. Ich machte es mir zur Gewohnheit, jeden Tag nach dem Frühstück drei Bücher zu lesen, keins unter dreihundert Seiten, bevor ich mich ans Tageswerk machte. Selbst nachts opferte ich die Hälfte meines Schlafes, um weitere Bücher zu lesen. Ich las das Gesamtwerk von Hildegunst von Mythenmetz in zweihundert Bänden, sämtliche Romane, Novellen, Kurzgeschichten, Bühnenstücke, Notizen, Briefe, Reden und experimentelle Lautgedichte, die er jemals geschrieben hatte, einschließlich seiner zwölfbändigen Autobiographie.
    Ich las auch das Gesamtwerk des unter Gebildeten verpönten Grafen Zamoniak Klanthu zu Kainomaz, ein zamonischer Bestsellerautor, der in Wirklichkeit ein Gastwirt namens Per Pemmf war und sich der Spannungsliteratur verschrieben hatte. In jedem seiner Bücher bestritt der Held Prinz Kaltbluth haarsträubende Abenteuer, in denen stets ein mindestens dreiköpfiges Ungeheuer von Prinz Kaltbluth in seine Schranken verwiesen, eine rothaarige Prinzessin aus den Klauen desselben befreit und auf die folgenden Abenteuer von Prinz Kaltbluth verwiesen wurde, in denen es ebenfalls garantiert nicht ungeheuer- oder prinzessinenfrei zugehen würde.
    Solche Lektüre vermehrt vielleicht nicht den Sprachschatz, aber sie nährt die Phantasie, und eine wohlgenährte Phantasie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Lü- gengladiatorberuf.
    Für die klassische Bildung sorgten dagegen die dramatischen Werke von Gongofian Gollph, dem Chronisten der Zamonischen Erbfolgerempeleien. In jedem seiner Dramen waren Adlige die Hauptpersonen, die gestelzt Unverständliches in Reimform vortrugen und spätestens im dritten Akt aus dem Fenster geschubst wurden. Das schärfte mein Bewußtsein für zamonische Geschichte und die Fähigkeit zum Stegreifreimen.
    Zur zamonischen Pflichtlektüre gehörten weiterhin der Forellensang, ein episches Gedicht aus viertausend Sonetten, angeblich von zweihundert Gebirgszwergen, die anonym bleiben wollten, über mehrere Jahrhunderte zusammengedichtet. Im Forellensang ging es überhaupt nicht um Forellen (es kommt nur eine einzige darin vor, aber die singt nicht und wird sofort gegessen), sondern vorwiegend um irgendwelche Zackeleien zwischen Menschen, Zwergen, Riesen und Göttern, die sich gegenseitig auszutricksen versuchen. Anders als bei Graf Zamoniak gab es im Forellensang mehr als einen Helden, ich erinnere mich an etwa zweihundert, und sie waren alle von zwergenhafter Gestalt.
    Ich las So naß mein Tal, das Zentralwerk des Heimatdichters Saihttam Treb-Eis, ein Poet aus der

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