Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
Vom Netzwerk:
legte mir eine seiner zahlreichen Hände auf die Schulter.
    »Was viel wichtiger ist, mein Junge ... Das ist vielleicht eine Chance, die so schnell nicht wiederkommt. Manche Gladiatoren warten jahrelang auf einen Titelkampf, manche bekommen ihn im ganzen Leben nicht. Ich würde mir das gut überlegen ...«
    Ich dachte an den Stollentroll. Ich dachte an das Labyrinth. Ich dachte an das Spinnennetz.
    »Ich mach's«, sagte ich.
    »Ich mach's nicht! Ich mach's nicht!« rief ich, als sie mich zum Duell brachten, aber niemand hörte auf mich. Das Gegröle der Blutschinken, die Musik der Bergzwergkapelle, das tausendstimmige Geschnatter des Publikums - darin ging das verzweifelte Gejammer eines bis an die Grenze zur Ohnmacht vom Lampenfieber gepeinigten Lügengladiatorneulings ungehört unter. Noch nie hatte ich mich so unbehaglich in meinem Pelz gefühlt.
    »Sei einfach du selbst, ga«, hatte Chemluth empfohlen. Das war diejenige Person, die ich in diesem Augenblick am wenigsten gern sein wollte. Ich hätte mit jedem einzelnen im Publikum getauscht, mit einem der hochnäsigen Nattifftoffen, mit einem der randalierenden Blutschinken oder sogar mit einem von den bedauernswerten Zwiezwergen. Am liebsten wäre ich einer der Unsichtbaren Leute gewesen, dann hätte ich mich unbemerkt verdrücken können. Was war ich nur für ein Idiot! Wie konnte ich die behagliche Position auf einer Zuschauerbank mit dem Herausfordererthron vertauschen? Das war die heißeste und ungemütlichste Sitzfläche, die man sich im ganzen Megather aussuchen konnte. Niemand mochte einen unbekannten Herausforderer. Das Publikum wollte sehen, wie er vom amtierenden Lügenkönig auseinandergenommen wird, dafür waren namenlose Herausforderer da. Eben hatte ich noch Bammel vor einem Sparring gehabt, und jetzt marschierte ich zu einem Hauptkampf mit einem beliebten Champion, ohne jede Duellpraxis.
    Hätte ich mich nicht so weit vorgewagt, säße ich jetzt da unten, mit einem heißen Bier in der einen und einem fetttriefenden Maiskolben in der anderen Faust und würde mich auf ein spannendes Duell freuen. Statt dessen war mir jetzt schlecht, so schlecht wie noch nie in meinem Leben. Mein Magen benahm sich wie ein eingesperrtes Tier, wie eine in einen Sack eingeschnürte Katze, die nach allen Richtungen trat und kratzte und mir in die Gedärme biß. Ich war so aufgeregt, daß ich zeitweise meinen eigenen Namen nicht mehr wußte und was ich hier eigentlich verloren hatte. Meine Knie waren so weich, daß Chemluth mich stützen mußte, der Schweiß lief literweise meinen Rücken hinab in den Herausforderermantel. Herausforderer! Wie hatte ich das nur zulassen können? Ich wollte mich umdrehen und weglaufen, weg aus dem Megather, weg aus Atlantis, zurück in die Wüste, von mir aus zurück in den Tornado - alles war besser, als auf die Bühne zu gehen.
    Aber Chemluth hielt meinen Arm von rechts, Smeik den anderen von links, und hinter mir marschierte grimmig der Wolpertinger. Es gab kein Entkommen.
    Die Treppe zum Herausfordererthron schien mir endlos, dabei hatte sie nur zehn Stufen. Es war völlig unmöglich, da hinaufzukommen, ohne das Gleichgewicht oder die Besinnung zu verlieren. Smeik und Chemluth ließen mich los. Jetzt hatte ich gar keinen Halt mehr. Die erste Stufe schien aus Milchreis oder einer ähnlich nachgiebigen Substanz zu sein. Meine Füße fanden überhaupt keinen festen Grund, ich muß wie ein Betrunkener ausgesehen haben, der sich um Haltung bemüht. Dennoch schaffte ich es, die zweite Stufe zu betreten. Sie war etwas widerstandsfähiger als die erste, aber immer noch so weich wie ein Federkissen. Ich überlegte, die Hände zur Hilfe zu nehmen und auf allen vieren weiterzukriechen. Die dritte Stufe schwankte nur noch leicht, wie Schiffsboden bei mittlerem Seegang, schien aber aus festem Material zu sein. Die vierte Stufe war ganz fest und schwankte auch nicht mehr, genauso wie die fünfte und sechste.
    Ich hatte es geschafft. Es waren nur die Nerven, die Aufregung, das erste Mal. Das Lampenfieber kam und ging auch wieder, ein ganz natürlicher Vorgang, den jeder kennt, der öffentliche Auftritte absolviert. Irgendwann kommt die Ruhe wie von selbst. Im Überschwang der Selbstsicherheit drehte ich mich halb um und blickte über die Schulter. Ich sah das vieltausendköpfige Publikum, ein unruhiges Meer voller bösartiger Fratzen. Alles geriet wieder ins Schwanken. Meine Beine wurden zu nassen Schiffstauen, ich wankte nach links, ich wankte nach

Weitere Kostenlose Bücher