Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
schwirrend im Palmenwald. Es schien, als wolle die Insel höchstpersönlich ihren Entdecker willkommen heißen. Es war an der Zeit, meine Besitzungen zu inspizieren. Ich klopfte mir den Sand aus dem Fell und machte mich auf den Weg ins Inselinnere.
Noch heute fehlen mir die Worte, der paradiesischen Pracht der Blaubärinsel auch nur annähernd gerecht zu werden. Dicht an dicht standen mächtige, schattenspendende Palmen mit goldenen Blättern und schneeweißen Stämmen, umflattert von bunten Wolken aus Schmetterlingen. Vereinzelte Schmetterlinge waren groß wie Möwen und hatten Flügel, die schimmerten wie Perlmutt; Blumen, wie ich sie noch nie gesehen hatte, standen unter den Palmen, mit silbernen Kelchen und Blättern aus Glas.
Andere Blumen hatten Kelche, die aus blauem Licht zu bestehen schienen und singen konnten, einen leisen, zurückhaltenden Singsang wie von sehr kleinen emsigen Elfen. Ich kam an hohen Gewächsen vorbei, die nach Vanille dufteten und ihre prächtigen, vielfarbigen Blätter entfalten konnten wie Pfauen ihre Federn. Andere, tulpenähnliche Blumen auf dünnen gelben Stengeln wechselten ständig die Farbe. Wenn man sie sehr lange ansah, wurden sie dunkelrot und kicherten. Daher kam also das Kichern, das ich kurz vor dem Einschlafen gehört hatte.
Ich betrat eine Lichtung. An ihrem Saum phosphoreszierten in den tiefen Schatten der Palmen hellgrüne Orchideen und ließen aus ihren Kelchen schillernde Seifenblasen steigen, andere Orchideen standen dazwischen und brachten mit ihren langen Pflanzenzungen die Blasen zum Platzen. Die Kolibribande hatte sich über der Lichtung versammelt und flog verspielte Formationsflüge.
Das Erstaunlichste aber befand sich in der Mitte: ein kleiner Tümpel aus appetitlich brodelndem Öl. Als ich näher trat, schien sich das Knistern und Zischen des Fettes zu verstärken. Am Rand des Tümpels wuchsen langstielige Pflanzen, die kartoffelähnliche Auswüchse hatten. Diese bogen sich bei meinem Näherkommen kopfüber in die zischende Flüssigkeit. Ich konnte nicht anders, als den Vorgang fasziniert zu bestaunen. Ein enorm appetitanregender Geruch ging von den brutzelnden Pflanzen aus. Schließlich bogen sich die Stengel wieder zurück und ließen ein paar frittierte Knollen vor meine Füße fallen. Ich nahm eine auf und kostete davon. Oh, unbeschreibliche Wonnen! Niemals hatte ich Delikateres gegessen. Gierig verschlang ich auch die übrigen Kartoffeln.
Je tiefer ich in die Insel vordrang, um so ungewöhnlicher wurde die Vegetation. Zwischen den Pflanzen plätscherte ein dichtes Geäder von kleinen Flüßchen und Quellen. Als ich sie einer näheren Betrachtung unterzog, stellte ich fest, daß sie unterschiedliche Farben hatten. Manche sahen aus wie normales Wasser, andere aber waren weiß wie Milch oder gelb wie Orangensaft. Ich bückte mich und trank aus einem der gelben Flüsse. Es war tatsächlich der Saft von Orangen.
Die weißen waren aus reiner, kühler Milch. Über ihnen standen große Pflanzen mit dicken dunkelbraunen Samenkapseln. Ich stieß aus Versehen an eins dieser Gewächse, worauf Dutzende von den Kapseln in den Milchfluß fielen, sich darin auflösten und ihn für kurze Zeit hellbraun verfärbten. Schnell bückte ich mich und schlürfte von der köstlichen Trinkschokolade.
An den Ufern der Flüsse wuchs Obst und Gemüse, das ich noch nie gesehen hatte. Blauer Blumenkohl, der roch und schmeckte wie warmes, knuspriges Fleisch. Blütenkelche standen randvoll mit wildem Honig, sogar ihre Blätter konnte man mitessen - sie mundeten wie getoastetes Weiß- brot. Dünne Lianenfäden hingen von Bäumen herunter, dufteten sanft nach Knoblauch und ließen sich schlürfen wie Spaghetti. Bäume sonderten durch ihre Astlöcher köstliche Soßen und Tunken ab, wenn man an ihre Rinde klopfte. Pilze, groß wie Kürbisse, garten im eigenen Saft, als würden sie unterirdisch beheizt. Man brauchte nur ein Stück herauszubrechen und konnte beobachten, wie es in Minutenschnelle wieder nachwuchs.
Irgend etwas Unangenehmes schien es auf der Insel nicht zu geben. Nirgendwo lauerten Kannibalen, tückische Sümpfe, Klabautergeister oder gefährliche Tiere. Es gab nicht einmal die üblichen unangenehmen Tiere wie Spinnen, Ohrenkneifer, Schlangen oder Fledermäuse, sondern nur solche, die entweder schön waren oder zumindest putzig aussahen: Schmetterlinge, Singvögel, Häschen, Eichhörnchen, Hamster, Flamingos, Kolibris und kleine niedliche Kätzchen. Sie waren alle sehr
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