Die 13. Stunde
hören. »Ich hab dir ja gesagt, du sollst dir einen Generator zulegen.«
»Ich brauche deine Hilfe«, sagte Nick, als er zur Tür hereinkam und das Marmorfoyer betrat.
»Endlich gibst du es mal zu«, erwiderte Marcus mit leichtem Lächeln.
»Kennst du jemanden, der den Halter eines Fahrzeugs ermitteln kann?«
»Ja, Martin Scars vom Straßenverkehrsamt.« Marcus wurde ernst, als er merkte, dass Nick nicht in der Laune für Geplänkel war. »Er hat mir immer gerne geholfen. Meine Rechtsabteilung arbeitet eng mit ihm zusammen. Was ist los? Hat man dir schon wieder einen Strafzettel verpasst?«
Nick verneinte kopfschüttelnd, ohne auf den Scherz einzugehen.
Marcus führte Nick in seine Bibliothek und ließ sich in einem der Ohrensessel vor dem Schreibtisch nieder. Nick nahm auf einem identischen Sessel gegenüber Platz.
Erst jetzt fiel ihm auf, wie bedrückt Marcus aussah.
»Alles in Ordnung?«, fragte Nick.
»Ich habe eben einen Anruf aus der Firma bekommen. Du kennst doch Jason Cereta, nicht wahr? Den Burschen, den ich vor einem halben Jahr eingestellt habe? Im März ist er mit uns zu einem Spiel der Rangers gefahren.« Marcus schwieg einen Augenblick und schüttelte den Kopf. »Er war Passagier des Fluges 502.«
»Das tut mir leid«, sagte Nick.
»Ein junger Kerl, zwei Kinder. Er ist nach Boston geflogen, um für mich die Übernahme einer Firma zu prüfen. Jetzt ist er tot. Mir kommt es so vor, als hätte ich ihn in den Tod geschickt.«
»Das ist Quatsch, und das weißt du. Du konntest nicht wissen, was passiert.«
»Nein, natürlich nicht. Jason wollte in Boston mit dem Eigentümer der Halix Ski Company sprechen. Ich hatte ihm gegenüber erwähnt, dass ich die Skier dieses Unternehmens mag, seit ich ein Junge war, und dass ich die Firma gerne übernehmen würde. Ein solides Unternehmen. Hätte Spaß gemacht, die Produkte zu testen … und die Werbemodels. Ich bin sicher, Jason hätte den Deal eingefädelt und damit seine Karriere weiter vorangetrieben.« Marcus atmete tief durch. »Und jetzt ist er tot.«
»Gib dir nicht die Schuld.«
»Wenn jemand auf eine Reise geht, um für dich Geld zu verdienen, und dabei ums Leben kommt, wie würdest du dich fühlen?«, fragte Marcus, wütend auf sich selbst.
»Julia wollte die Maschine ebenfalls nehmen«, sagte Nick unvermittelt.
»Was? Das ist nicht dein Ernst«, sagte Marcus entsetzt. »Wieso ist sie nicht eingestiegen?«
»Sie ist eingestiegen.«
Marcus starrte ihn an, als hätte er einen Verrückten vor sich.
»Aber sie ist kurz vor dem Abflug von Bord gegangen.« Nick kam noch immer nicht über die Ironie hinweg. »Bei einem ihrer Mandanten wurde eingebrochen. Sie musste sich um die Sache kümmern.«
»Das ist ja unglaublich!«
»Und darum bin ich hier.« Nick schwieg kurz. »Julia ist zwar dem Flugzeugabsturz entkommen, wurde dann aber ermordet.«
Marcus wurde bleich.
»Der Einbruch«, sagte Nick. »Die Täter haben sie getötet.«
Marcus fuhr sich mit den Händen über den kahl werdenden Kopf. »Willst du mich verarschen? Hast du zu viel getrunken?«
»Vertraust du mir, Marcus?«
»Wie bitte?«
»Ob du mir vertraust?«
»Was soll die Frage?«
»Wenn ich dir eine fantastische Geschichte erzähle, die niemand sonst glauben würde, weil sie gegen alle Vernunft verstößt, würdest du mir trotzdem glauben?«
»Wenn du versuchst, mich auf den Arm zu nehmen …«
»Wenn diese Geschichte der Schlüssel wäre, um Julia das Leben zu retten?« Nick griff in die Tasche und holte die Uhr heraus. Er klappte den goldenen Deckel auf, und das silberne Innere spiegelte das Licht im Zimmer. Er reichte Marcus die Uhr.
»Fugit irreparabile tempus« , las dieser die Inschrift auf der Innenseite. »›Es entflieht die unwiederbringliche Zeit.‹ Ein Vers des römischen Dichters Vergil. Daher kommt die Redewendung Tempus fugit .«
Nick nahm den Brief hervor, öffnete ihn und reichte ihn Marcus. Der legte die Taschenuhr auf den Schreibtisch, lehnte sich zurück und senkte den Blick auf das Papier.
Er las den Brief zweimal, ehe er aufsah.
Der Moment, als sie einander stumm in die Augen schauten, schien sich ewig zu dehnen.
»Julia wird heute Abend um achtzehn Uhr zweiundvierzig ermordet«, sagte Nick schließlich und kämpfte seine Gefühle nieder. »Ich kann sie nur retten, indem ich den Mann finde, der es getan hat, und ihn aufhalte.«
Marcus saß da wie vom Donner gerührt, während er beobachtete, wie sein Freund um Fassung rang. Schließlich holte
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