Die 13. Stunde
Kanzlei Ihrer Frau. Mal sehen, was ich finde.«
Nick stimmte zu und eilte Dance hinterher, der sein billiges Jackett auszog und auf den Rücksitz seines grünen Ford Taurus warf. An den Achseln seines weißen Hemdes waren große Schweißflecken zu sehen. Nick öffnete die Beifahrertür und setzte sich schweigend neben Dance, der wütend die Fahrertür zuknallte.
Ohne ein Wort ließ er den Motor an und fuhr vom schlammigen Parkplatz. Er schnitt zwei andere Fahrzeuge und verließ den Bereitstellungsraum der Katastrophenhelfer.
Ströme von Freiwilligen, städtischen Angestellten und Nationalgardisten kamen zum Ort der Katastrophe oder verließen ihn. Schweigend marschierten die Helfer die Zufahrtsstraße entlang, die bis zu diesem Morgen nur Busse voller Kinder und sportbegeisterter Eltern auf dem Weg zu einem vergnüglichen Tag gesehen hatte.
Die Dichte der geparkten Wagen nahm rasch ab, je weiter sie fuhren. Als sie an einem blauen Chevy Impala vorbeikamen, wollte Nick seinen Augen nicht trauen. Ein Blick auf das Nummernschild ließ ihn erkennen, dass es sich um Dreyfus’ Mietwagen handelte.
»Halten Sie an«, sagte Nick. »Der blaue Impala dort …«
Dance beachtete ihn nicht.
»He, anhalten! Das ist der Wagen, von dem ich Shannon und Ihrem Captain erzählt habe. Der Mistkerl ist hier!«
Dance sagte kein Wort, nahm das Walkie-Talkie und drückte auf den Sprechknopf. »Captain?«
»Das darf doch wohl nicht wahr sein, Dance«, meldete sich Captain Delia. »Da sind Sie gerade drei Minuten weg, und schon haben Sie ein Problem?«
»Schicken Sie jemanden zur Seitenstraße, wo die hiesigen Freiwilligen parken. Ein blauer Chevy Impala. Kennzeichen …« Er wandte sich an Nick, der den Satz beenden sollte.
»Z8JP9.«
»Sagen Sie dem Mann, er soll das Fahrzeug unauffällig beobachten. Sobald der Fahrer des Wagens auftaucht, muss er festgehalten werden, bis wir zurückkommen.«
»Wird gemacht«, versprach Delia.
»Entspannen Sie sich«, sprach Dance endlich Nick an. »Wenn der Kerl hier ist, kommt er nicht weg.«
»Was will er hier eigentlich?«
»Das können Sie ihn selbst fragen, wenn wir wieder da sind.« Dance wischte sich die schweißnasse Stirn mit dem Hemdsärmel ab und strich das feuchte braune Haar zurück.
Sie fuhren durch den stockenden Verkehr. Dance verzichtete darauf, Sirene oder Blaulicht einzuschalten; sie wären dadurch nicht schneller vorangekommen.
»Tut mir leid, dass ich so kurz angebunden war«, sagte Dance. »Shannon ist ein ziemliches Arschloch, das mir sehr oft auf den Wecker geht.«
»Schon gut. Heute ist für jeden ein schlimmer Tag.«
»Aber Ihrer Frau geht es gut, oder?«
Nick bejahte.
Dance lockerte seine Krawatte, nahm sie ab und warf sie auf die Rückbank. Dann öffnete er die beiden obersten Knöpfe seines Hemdes und richtete die Düsen der Klimaanlage auf sich. Als die kühle Luft ihn traf, seufzte er wohlig.
»Der Captain hat mir erzählt, was Sie und Ihre Frau heute durchgemacht haben«, fuhr Dance fort. »Wenn so etwas geschieht, werden wir blind für den Rest der Welt und vergessen, dass sie sich trotz der Tragödien noch immer dreht.«
Während Nick Dance’ Worten lauschte, musterte er fast gegen seinen Willen den Hals des Detectives und suchte nach dem Christopherus-Anhänger, schalt sich dann aber wegen seiner übertriebenen Angst einen Narren.
Schließlich verließen sie die lange Zufahrtsstraße auf die Route 22, die gespenstisch leer war – ein schreiender Gegensatz zu dem lärmenden Chaos, das sie hinter sich gelassen hatten.
»Sie haben also eine Kopie des Sicherheitsvideos?«, fragte Dance in die Stille hinein.
»Ja«, antwortete Nick und klopfte sich auf die Brusttasche seines Blazers.
»Haben Sie sich die Aufnahme angeschaut?«
»Nur zum Teil, aber ich habe ein Gesicht gesehen. Ich werde Ihnen nachher einen Ausdruck zeigen. Es ist aber hauptsächlich Schnee zu sehen. Die Einbrecher haben die Kameras außer Gefecht gesetzt.«
»Wir sehen es uns im Revier an. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich zuerst eine Dusche nehme, oder?«
Nick schüttelte den Kopf, bedauerte es aber augenblicklich. Die Uhr tickte. Seine Zeit mit Dance war begrenzt. Er musste so viel wie möglich erfahren, ehe die Stunde um war.
»Mir kommt es vor, als wäre ich von Kopf bis Fuß voller Tod«, sagte Dance.
»Wie spät ist es?« Nick wollte die Taschenuhr nicht hervorziehen.
Der Wagen näherte sich einer Brücke mit grünem Geländer. Eine Viertelmeile lang,
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