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Die 13. Stunde

Titel: Die 13. Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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Beifahrertür geöffnet wurde und ein alter Mann sie begrüßte, ehe er zu ihr einstieg.
    »Danke, dass Sie mich mitnehmen«, sagte er, während er den Sicherheitsgurt anlegte. »Ich bin Dr. O’Reilly.«
    »Julia Quinn.« Sie reichte ihm die Hand und schaute den Mann genauer an. Obwohl sein Haar weiß war, waren seine Brauen schwarz wie die Nacht und verliehen ihm einen jugendlichen Anstrich. Neugierig neigte sie den Kopf und fragte: »Sind wir uns schon mal begegnet?«
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte O’Reilly kopfschüttelnd. »Es sei denn, Sie hätten vor mehr als fünf Jahren mit der Gerichtsmedizin zu tun gehabt. Tja, leider beendet die heutige Tragödie meinen wohlverdienten Ruhestand.«
     
Nick saß in dem ledernen Bürosessel hinter dem Schreibtisch seiner Bibliothek. Er triefte vor Nässe, rang nach Atem und war für den Moment völlig orientierungslos. Er hatte geglaubt, am Grund des Stausees sterben zu müssen, und fand sich nun fassungslos im eigenen Haus wieder.
    Nick zwang sich zur Ruhe und blickte verwirrt auf die Brieftasche, die er in der Hand hielt. Sie war von Gucci, ein teures Stück aus schwarzem Kalbsleder. Er hatte sie dem Toten am Grund des Stausees aus der Tasche gezogen. Nun klappte er die Brieftasche auf. Sie war mit Hundertdollarscheinen gefüllt; außerdem entdeckte Nick eine schwarze American-Express-Karte und eine goldene Visa-Karte. Doch beides beachtete er nicht, denn was er eigentlich suchte, befand sich ganz oben.
    Der Führerschein.
    Dennoch war die Identifizierung des Toten schwierig und warf mehr Fragen auf, als beantwortet wurden. Nick schaute sich den Führerschein noch einmal an: wohnhaft 10 Merion Drive, Haverford, Pennsylvania. Geboren am 28. Mai 1952. Größe eins achtundsiebzig, braune Augen. Organspenderkästchen angekreuzt. Paul Dreyfus, der Inhaber jenes Unternehmens für Sicherheitstechnik, das die Alarmanlage in Shamus Hennicots Villa installiert hatte, war ertrunken. Seine Leiche verrottete am Grund des Kensico-Stausees.
    Nick schoss eine Frage durch den Kopf. Wenn er alles mitnahm, was er berührte – wieso war er dann nicht mehr gefesselt? Wo war das Gewicht an seinen Händen? Offenbar war es so, dass er nur mitnahm, was er als zu sich gehörig betrachtete. Oder war die Nähe des Todes irgendwie von Bedeutung gewesen? Durch die Zeitsprünge hatte er schon so viele verrückte und paradoxe Dinge erlebt, dass ihm nichts mehr unmöglich schien.
    Aber darüber konnte er sich später den Kopf zerbrechen. Nick eilte nach oben, riss sich die nasse Kleidung herunter und zog eine frische Jeans und ein sauberes weißes Hemd an. Er nahm einen dunklen Blazer aus dem Schrank und leerte die Taschen seiner triefend nassen Jeans und des Jacketts. Er fand den Brief, den Marcus an sich selbst geschrieben hatte, sowie das Schreiben des Europäers, der ihn im Verhörraum aufgesucht hatte. Die Tinte auf den Umschlägen war kaum zerlaufen. Nick nahm die Taschenuhr und klappte den Deckel auf. Die Uhr war erstklassig gefertigt und wasserdicht und hatte den Tauchgang offenbar unversehrt überstanden. Der Minutenzeiger hatte die XII überschritten und zeigte fünf Minuten nach zwei Uhr.
    Mit Nicks Handy sah es ein bisschen anders aus. Der Kurzschluss hatte das Gerät zerstört. Nick war beinahe froh darüber, weil damit das schreckliche Foto der toten Julia für immer verschwunden war. Er nahm seine Brieftasche und seine Schlüssel, den Christopherus-Anhänger, Dreyfus’ Brieftasche und die Briefe und steckte sich alles in die Taschen. Dann eilte er nach unten, betrat wieder die Bibliothek und öffnete den Safe. Als er seine Pistole mitsamt mehrerer Ersatzmagazine darin liegen sah, lächelte er. Das war endlich mal keine Magie, kein Zeitparadoxon oder wie man es nennen wollte. Die Waffe war nicht aus Dance’ Auto durch die Zeit hierhergesprungen. Da es 14.05 Uhr war, hatte sie den Panzerschrank schlicht und einfach noch nicht verlassen.
    Nick nahm die Waffe an sich, dazu mehrere gefüllte Magazine, und schob sie sich in den Hosenbund. Dann suchte er zwischen den Papierstapeln auf seinem Schreibtisch und fand dort sein Handy – trocken, unversehrt und gebrauchsbereit.
    Er lachte auf. Doch seine Belustigung schwand rasch und wich heißer Wut auf sich selbst. Er wäre beinahe gestorben – und wenn das geschehen wäre, hätte er Julia mit in den Tod genommen. Er war dumm und leichtsinnig gewesen; er hatte geglaubt, er bräuchte nur rückwärts durch die Zeit zu reisen und könnte

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